Süddeutsche Zeitung

Zeugnis für Joachim Herrmann:Der Nachlassverwalter

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Es hätte besser laufen können: Innenminister Joachim Herrmann konnte nicht aus dem Schatten seines Vorgängers Günther Beckstein treten.

Stefan Mayr

Er musste von einer ganzen Reihe Parteikollegen eindringlich bearbeitet werden. Er überlegte bis zum allerletzten Moment. Erst nach einem sechsstündigen Gespräch in Günther Becksteins Privathaus in Nürnberg-Langwasser rang sich Joachim Herrmann im Oktober 2007 durch, doch noch das Amt des Innenministers zu übernehmen.

Dem Vernehmen nach, als Beckstein ihm keine andere Chance mehr ließ: "Ich geh' jetzt in den Keller und hol' eine Flasche Wein. Und wenn ich wieder oben bin, sagst Ja oder Nein." Herrmann sagte ja.

Herrmann hat ein schweres Erbe angetreten. Sein Vorgänger Beckstein war nicht irgendjemand, in seiner 14-jährigen Amtszeit als Innenminister hat Beckstein die Politik des Kabinetts Stoiber maßgeblich mitgeprägt, er war lange der engste politische Weggefährte von Stoiber. Bundesweit galt Beckstein als Doyen der Innenminister, sein Wort hatte Gewicht. Fast wäre er Bundesinnenminister geworden.

Herrmann, der als Fraktionschef anerkannt war, aber beim Sturz Stoibers so lange lavierte, dass er sich selbst ins Abseits beförderte, machte den Schritt ins Innenministerium in erster Linie aus einem Grund: Er will noch nach ganz oben. Und Ministerpräsident wird man nicht ohne Führungserfahrung in einem großen Ministerium.

Kurz nach seinem Amtsantritt sagte Herrmann: "Es ist auch mein Anspruch, über die bayerischen Grenzen hinaus wahrgenommen zu werden." Das ist ihm in den elf Monaten seiner Amtszeit nicht gelungen.

Wenn er im Bund auffiel, dann, weil er schon fröhlich Einzelheiten ausplauderte, als das Außenministerium im Fall der drei in der Türkei entführten bayerischen Bergsteiger noch zu Diskretion mahnte. Er gab auch gleich bekannt, die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ermittle gegen die Entführer von der PKK. Das sollte geheim bleiben, um die Entführten nicht zusätzlich zu gefährden. Das richtige Gespür für das besonders sensible Geschäft des Innenministers hat Herrmann noch nicht.

"Balu, der Bär", nannten sie ihn früher im Landtag, andere auch "Panzerkreuzer Potemkin". Manche finden, dass sich in ihm die Figur des Bären mit dem Gemüt des Panzerkreuzers verbindet. Herrmann versucht nun tapfer, die Fußstapfen Becksteins auszufüllen: Er forderte die Ausweisung der Münchner U-Bahn-Schläger sowie die Erhöhung der Höchststrafe für heranwachsende Straftäter auf 15 Jahre.

"Hart, härter, Herrmann", steigerte die Bild-Zeitung angesichts solcher Töne. Doch bei Herrmann hört sich das aufgesetzt an.

Auch die Verschärfung des bayerischen Versammlungsrechts geriet nicht zum großen Wurf. Das Gesetz war gut gemeint, es sollte Neonazis von Aufmärschen durch bayerische Städte abhalten, aber bei den Bürgern stößt es angesichts der vielen Einschränkungen für ganz normale Demonstrationen auf Widerstand.

Die CSU-Fraktion setzte schon einige Änderungen an dem Gesetzentwurf durch. Als der Verfassungsausschuss des Landtags mit der CSU-Mehrheit etwa 250 Petitionen mit einem Wisch in den Papierkorb beförderte, ohne auch nur darüber zu diskutieren, war die Empörung groß. Denn in der Vergangenheit hatte sich Herrmann als eher liberal gegeben.

Als Chef der CSU-Fraktion hatte er sich noch strikt gegen zu viel Überwachung der Bürger ausgesprochen. Heute verteidigt er, dass die bayerischen Ermittler im Gegensatz zum Bund auch in die Wohnungen von Terrorverdächtigen einbrechen dürfen, um dort Programme zur Durchsuchung der Computer zu installieren. Das sei notwendig, um schwere Straftaten zu verhindern, so Herrmann. Nach dem liberalen und abwägenden Fraktionschef versucht er jetzt, den scharfen Innenminister zu geben.

Der größte Brocken ist die von Stoiber diktierte Polizeireform, mit der sich schon Beckstein herumplagte und die nun Herrmann zu Ende bringen soll.

Herr über 33.000 Polizisten

Er ist Herr über 33.000 Polizeibeamte und 5000 Angestellte, die wegen der längeren Wochenarbeitszeit und des gleichzeitigen Personalabbaus über große Belastung klagen. Zudem gibt es aufgrund der einschneidenden Umwälzungen - 43 Polizeidirektionen werden abgeschafft - zahllose Versetzungen.

Schon Beckstein setzte als Innenminister Stoibers Polizeireform nur widerwillig um. Am Ende sollen mehr Polizisten auf der Straße sein als vorher. Herrmanns Zwischenbilanz lautet: "Die Reform funktioniert gut, in weiten Bereichen gibt es sogar echte Fortschritte." Im übrigen gebe es "keinerlei Mangel", die bayerische Polizei befinde sich in einer "guten Situation".

Nur klagen immer mehr Kommunen darüber, dass keine Polizisten mehr auf den Straßen sind. "Es brodelt an allen Ecken und Enden", sagt Gerhard Knorr, Personalratsvorsitzender aus Niederbayern/Oberpfalz, "noch ist die Sicherheit gegeben, aber lange geht das nicht mehr gut."

Etwa 200 zusätzliche Polizisten will Herrmann für das Jahr 2009 einstellen. 2010, nach Abschluss der Reform, will er sich die Personalsituation ,,in aller Ruhe nochmal neu betrachten'' und dann "vernünftig reagieren", so hat er angekündigt. Allzu schnelle Manöver scheinen bei Herrmann nach wie vor nicht zu erwarten zu sein. "Panzerkreuzer Potemkin" hält Kurs.

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