Süddeutsche Zeitung

Prozess in Regensburg:Tretzels irritierende Aussage soll ein Scherz gewesen sein

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Von Andreas Glas, Regensburg

Zwei Tage vor dem Urteil im Regensburger Korruptionsprozess haben sich der suspendierte Oberbürgermeister Joachim Wolbergs und dessen Verteidiger Peter Witting zu einer heiklen Aussage des Bauunternehmers Volker Tretzel geäußert. Witting sprach von einem "schrägen Scherz" des Unternehmers, der in seinem Schlusswort in der vergangenen Woche folgende Bemerkung gemacht hatte: "Übrigens hat der Herr Wolbergs immer gesagt: Ihr müsst nicht so viel spenden, ihr kriegt das Grundstück sowieso."

Gemeint war das Grundstück auf dem Nibelungenareal, das die Stadt im Herbst 2014 an Tretzels Baufirma verkaufte. Laut Anklage war der Verkauf eine Gegenleistung für die hohen Parteispenden, die aus dem Tretzel-Umfeld auf das Konto des von Wolbergs geführten SPD-Ortsvereins flossen. Seit Prozessbeginn im Herbst 2018 hatten Wolbergs und Tretzel stets bestritten, im Zusammenhang mit den Spenden über konkrete Grundstücksgeschäfte gesprochen zu haben. Die Tretzel-Bemerkung hatte daher für Irritationen gesorgt - und die Wolbergs-Verteidiger dazu bewogen, einen zusätzlichen Verhandlungstag zu beantragen, um eine Erklärung abzugeben.

Auch OB Wolbergs sagte, dass er Tretzels Bemerkung "als Scherz empfunden" habe und versicherte dem Gericht: "Einen solchen Satz hat es von mir nicht gegeben." Das sagte auch Tretzel-Verteidiger Florian Ufer, der ebenfalls davon sprach, dass sein Mandant "scherzhaft zum Ausdruck bringen wollte", dass das Kaufangebot seiner Firma für das Grundstück auf dem Nibelungenareal "mit Abstand das beste" aller Bieter gewesen sei. Tretzel selbst äußerte sich am Montag nicht mehr dazu.

Derweil sieht sich Staatsanwältin Christine Ernstberger durch die Tretzel-Bemerkung bestätigt, dass der Unternehmer den OB "kaufen wollte" und Wolbergs "dies erkannt hat". Beide hätten "korruptiv gehandelt und wer jetzt noch das Gegenteil behauptet, der ignoriert die Fakten", sagte Ernstberger in ihrer abschließenden Erklärung. Sie machte nochmals deutlich, dass die Staatsanwaltschaft bei ihrer Forderung bleibt: jeweils viereinhalb Jahre Haft für Wolbergs und Tretzel wegen Bestechlichkeit beziehungsweise Bestechung. Dem stehen die Forderungen der Verteidiger gegenüber, die Freisprüche beantragt haben. Nun liegt die Entscheidung beim Gericht, das die Anklage der Staatsanwaltschaft in seinem Eröffnungsbeschluss heruntergestuft hatte - von Bestechung und Bestechlichkeit auf Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung.

Der suspendierte OB nutzte den letzten Prozesstag vor dem Urteil für einen neuerlichen Angriff auf Staatsanwältin Ernstberger. Er sagte mit scharfer Stimme: "Wenn ich könnte, würde ich Sie wegen dem 'gekauft' und 'korruptiv' so was von wegen Verleumdung verklagen, das können Sie sich gar nicht vorstellen." Als Ernstberger diesen Satz mit einem Lächeln quittierte, legte Wolbergs nach: "Das ist an Arroganz nicht mehr zu überbieten." Sie könne ruhig "dämlich lachen", sagte er zu Ernstberger. Und: "Sie sind eine ganz arme Staatsanwältin, die seit Anfang an nur versucht, um Gerechtigkeit zu kämpfen. Einen Dreck machen Sie." Für seine Schimpftirade bekam Wolbergs erneut keine Rüge von Richterin Elke Escher.

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SZ vom 02.07.2019
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