Süddeutsche Zeitung

Donaustauf:Plötzlich steht der Erzfeind von König Ludwig in der Walhalla

Lesezeit: 2 min

Putzkräfte entdecken zwischen all den Marmorbüsten einen kleinen Kopf: Maximilian von Montgelas. Wer hat ihn bloß in die Ruhmeshalle gestellt?

Von Hans Kratzer

Wenn die Walhalla im abendlichen Dämmerlicht versinkt, dann macht sich sofort eine feierliche Stille breit. Die 130 "Teutschen", die dort den Ruhm des Vaterlandes repräsentieren, bestehen allesamt aus Marmor, von ihnen ist kaum ein Mucks zu hören. Aber aller stillen Erhabenheit zum Trotz tragen sich in der Walhalla seltsame Dinge zu. Neulich machte das Reinigungspersonal eine Entdeckung, wie es sie seit der Eröffnung der Ruhmeshalle anno 1842 noch nicht gegeben hat. Hinter dem mächtigen Haupt des Malers Rubens hatte sich ein kleines Manschkerl versteckt, man konnte es nur aus einer bestimmten Perspektive sehen.

Endlich war ein Geheimnis gelüftet, das die Verwaltung der Walhalla seit Monaten beschäftigt hatte. "Habt ihr ihn schon gefunden, habt ihr ihn schon gefunden?" Stakkatomäßig, aber anonym war diese Frage an die Verwaltung herangetragen worden, niemand konnte sich einen Reim darauf machen. "Ja wen denn?", lautete die Gegenfrage, die aber unbeantwortet blieb. Und die Köpfe der Walhalla schwiegen wie ein Grab.

Nun war klar, dass da jemand eine Figur in die Walhalla geschmuggelt hatte, die nach Meinung vieler Verehrer unbedingt hineingehört. Die Rede ist von Maximilian von Montgelas (1759-1838), dem Vater des modernen Bayern, den die Büste im antikisierenden Stil zeigt, grad so, wie es König Ludwig I., dem Erbauer der Walhalla, am besten gefallen hätte. Leider war Montgelas sein Erzfeind, und Ludwig I. tat alles, damit die ihm so verhasste Person ja nicht in die Walhalla aufgenommen wurde.

Montgelas-Nachkomme eilt in die Walhalla

Nach der Entdeckung der Montgelas-Büste machte sich der Nachfahre Max von Montgelas schnurstracks auf den Weg nach Donaustauf, um sich selber vom Coup mit seinem Ur-Ur-Urgroßvater zu überzeugen. "Habt ihr vielleicht einen blinden Passagier? Den tät ich gerne sehen", tönte er jovial am Eingang der Walhalla. "Den Montgelas halt", antwortete die Frau an der Kasse und schickte ihn in den Personalraum, in den die Figur mittlerweile verfrachtet worden war.

Wer darf in die Walhalla?

Der Kandidat Maximilian von Montgelas durfte in Miniaturform...

...schon mal einige Positionen ausprobieren,...

...sogar auf dem Standbild seines Erzfeindes Ludwig I.

Max von Montgelas, der als Bürgermeister der Gemeinde Gerzen (Landkreis Landshut) von Haus aus ein politischer Mensch ist, kann sich einen größeren Staatsmann als seinen Vorfahren gar nicht vorstellen. "Wenn je ein Bayer in die Walhalla reingehört hat, dann ist es der Minister Montgelas", sagt er voller Überzeugung und ohne Verständnis für das Zögern der bayerischen Politiker. Umso diebischer freut er sich über die Aktion mit der Mini-Büste, die einem unbekannten Montgelas-Verehrer zugeschrieben wird.

Welche Rolle Montgelas in Bayern spielte

Schon mehrmals hatte Bürgermeister Montgelas der Staatsregierung vorgeschlagen, seinen Ur-Ur-Urgroßvater in der Walhalla zu verewigen. Fast 20 Jahre lang hatte der alte Montgelas Anfang des 19. Jahrhunderts dem Königreich als Superminister gedient: Er schweißte Bayern zu einem modernen Flächenstaat zusammen, entmachtete Klöster und Kirchen, sein Reformwerk steht ebenbürtig neben dem von Stein und Hardenberg.

"Deutschlands heutiges Gewicht ist auch auf ihn zurückzuführen", davon ist der Bürgermeister fest überzeugt. Bayern tut sich trotzdem schwer, seine Verdienste zu würdigen. Es dauerte bis 2005, bis in München erstmals ein Denkmal für ihn errichtet wurde.

Montgelas hätte in der Walhalla durchaus noch Platz. 130 Büsten von bedeutenden Männern und Frauen "deutscher Zunge" hängen dort, vier Plätze sind noch frei. Aber die Konkurrenz ist groß. Umso froher ist Max von Montgelas, dass es wenigstens die kleine Büste in die Walhalla geschafft hat - wenn auch nur in den Personalraum. "Immerhin ist sie nicht entsorgt worden, gewiss in Anerkennung seiner Verdienste. Vielleicht ist mein Ur-Ur-Urgroßvater sogar zufriedener, weil er im Aufenthaltsraum anerkannt wird", mutmaßt Max von Montgelas. Und irgendwer hat den Mini-Montgelas sogar auf das Standbild seines Erzfeinds Ludwig I. gestellt. Die ehrwürdige Walhalla ist also jederzeit geeignet für einen kleinen Treppenwitz der Geschichte.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2015
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