Süddeutsche Zeitung

Umwelt:Irritierende Verbrüderung

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Naturschützer und Jäger schmieden eine Allianz, die nicht allen gefällt

Von Christian Sebald, München

Was für eine Harmonie: Als jetzt der Vogelschutzbund LBV und der bayerische Jagdverband (BJV) in Oberstdorf ein gemeinsames Projekt zur Erforschung der Steinböcke in Bayerns Bergen starteten, überboten sich die Verbandschefs in Freundlichkeiten. Natürlich wisse er, dass die Allianz mit Argusaugen beobachtet werde, sagte Jägerpräsident Jürgen Vocke, aber er sei sie "sehr gerne eingegangen". Und zwar nicht nur um des Steinbocks willen. Sondern weil LBV und BJV als wichtige Naturschutzverbände an einem Strang ziehen sollten - allen Differenzen der Vergangenheit zum Trotz. LBV-Chef Norbert Schäffer sekundierte, man müsse das alte Lagerdenken überwinden und Kooperationen eingehen, wo sie sich anböten. Zur Besiegelung gab's ein gemeinsames Foto, Vocke und Schäffer lächelten, als gebe es nichts, was sie trennen würde.

Die neue Naturschutz-Allianz zwischen Vogelschützern und Jägern irritiert viele, bis in die Verbandsspitzen. Denn so gut der Ruf des LBV in der Umweltszene ist, so zweifelhaft ist der der Jäger. Zwar ist auch der BJV ein anerkannter Naturschutzverband mit Sitz und Stimme in vielen Gremien quer durch den Freistaat. Außerdem leistet er sich über seine Wildland-Stiftung eine Reihe von Artenschutzprojekten. "Aber wenn es zum Schwur kommt", so sagen es viele, die mit dem BJV in diversen Gremien zusammenarbeiten, "pfeifen Vocke und Co. auf den Naturschutz". Selbst in der CSU, für die Vocke zwei Perioden im Landtag saß, sagen etliche, dass man dem Jägerpräsidenten "nicht über den Weg trauen kann, so rigoros wie er seine Interessen und die seiner Klientel vertritt".

Der wichtigste Streitpunkt, der Naturschützer und Jäger trennt, ist der um den Wald und das Wild. Für Naturschützer hat der Wald Vorrang vor dem Wild. Denn ohne Wald hat Wild keinen Lebensraum - so wie es auch der Grundsatz "Wald vor Wild" im Wald- und Jagdgesetz formuliert. Die Jäger bestreiten den Vorrang des Waldes, in vielen Regionen agieren sie nach der Devise "Wild vor Wald" - wie die immensen Fraßschäden zeigen, welche die vielen Rehe und Hirsche in den Wäldern anrichten.

Ein anderer Grundsatzstreit ist der um die Rückkehr von Luchsen, Wölfen und Bären nach Bayern. Jägerpräsident Vocke betont immer wieder seine große Skepsis, dass ein konfliktfreies Miteinander zwischen Menschen und Raubtieren möglich ist. Die Naturschützer kontern, dass es dazu einzig ein ausgeklügeltes Management braucht - und verweisen auf Ostdeutschland, wo etliche Wolfsrudel leben. Viele Naturschützer sind zudem überzeugt, dass es militante Jäger sind, die für die illegalen Luchs-Tötungen im Bayerischen Wald verantwortlich sind. Ihr Motiv, so die Naturschützer: Beutekonkurrenz um die Rehe in den Revieren.

Und dann gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Konflikte um weniger spektakuläre Arten. Um das Mauswiesel etwa, das mit 20 Zentimeter Körperlänge kleinste Raubtier der Welt und neben dem Hermelin die zweite in Bayerin einheimische Wieselart. Die Naturschützer fordern, dass die Jagd auf sie eingestellt wird. Der Grund: Die Bestände wurden in der Vergangenheit arg dezimiert. Aber viele Jäger lehnen eine Einschränkung der Jagd auf Mauswiesel ab. Deshalb werden in Bayern nach wie vor pro Jahr etliche Hundert zur Strecke gebracht.

Wenig verwunderlich also, dass sogar prominente LBV-Mitglieder murren über die Allianz mit den Jägern. "Wir haben so viele Naturschutz-Baustellen, da muss man sich nicht mit so einem Bündnis verzetteln", sagt einer, der dem LBV seit Jahrzehnten eng verbunden ist. "Zumal der Steinbock wenig Bedeutung hat für Bayern. Er ist ein Tier des Hochgebirges, alpenweit sind die Bestände gesichert." Ein anderer, ebenfalls maßgebender LBV-Mann klagt: "Beim Streit um einen dritten Nationalpark und den Ausbau der Skigebiete hört man kein Wort von den Jägern. Aber beim Steinbock, da gründen wir eine Allianz mit ihnen."

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SZ vom 06.09.2016
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