Süddeutsche Zeitung

Tierschutz:Große Allianz gegen die Wilderei

In Cham beginnt ein Prozess gegen den Mann, der einen Luchs getötet haben soll, es ist das erste Verfahren dieser Art. Tierschützer und Jäger fordern eine konsequentere Verfolgung

Von Christian Sebald, Cham/Regensburg

Der Biologe und oberste Artenschützer beim Landesbund für Vogelschutz (LBV), Andreas von Lindeiner, kämpft seit Langem dafür, dass die Wilderei streng geschützter Wildtiere scharf verfolgt und streng geahndet wird. Lange Zeit vergebens. Zwar handelt es sich dabei um Straftaten, auf die bis zu fünf Jahre Haft stehen. Aber die Ermittlungsbehörden hatten die meiste Zeit weder die Ausrüstung noch die Fachkenntnisse, um sie zu verfolgen. Außerdem stand diese Art Delikte nicht in ihrem Fokus. Deshalb ist dieser Donnerstag ein wichtiger Tag für Lindeiner. Denn an diesem Donnerstag verhandelt das Amtsgericht Cham gegen einen mutmaßlichen Wilderer aus dem Bayerischen Wald. Der 53-jährige Jäger aus dem Lamer Winkel soll mindestens einen Luchs in einer Falle gefangen und später erschossen haben. "In Bayern ist das der erste Prozess dieser Art, von dem ich weiß", sagt Lindeiner. "Für mich ist es schon ein großer Erfolg, dass es zu ihm kommt."

Der Bayerische Wald ist die einzige Region in Bayern, in der Luchse leben. Die Population geht zurück auf ein Ansiedlungsprojekt in den 1970er-Jahren. In den vergangenen Jahren verschwanden immer wieder spurlos Luchse. Alsbald gab es die Vermutung, dass Wilderer am Werk sind. Eine Reihe spektakuläre Wildereien erhärtete den Verdacht. 2012 wurde bei Rinchnach die Luchsin Tessa vergiftet, der für ein Forschungsprojekt ein Sender umgeschnallt worden war. Ein Jahr später wurde nahe Bodenmais eine trächtige Luchsin abgeschossen. 2015 wurde dass Luchspaar Leon und Leonie getötet. Der oder die Täter trennten den Kadavern die Vorderläufe ab und deponierten sie an einer Stelle, an der sie rasch entdeckt werden mussten. Tierschützer stuften dies als makabres Signal der Täter ein, dass sie keine Luchse haben wollen im Bayerischen Wald. Luchse sind vor allem bei Jägern unbeliebt - sie befürchten, dass die Raubtiere ihnen die Rehe wegfressen.

Der angeklagte Jäger, der sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert hat, stand lange im Verdacht, auch diese drei Straftaten begangen zu haben. Trotz akribischer Ermittlungen konnten sie dem Mann aber nicht nachgewiesen werden. Anders bei dem Vorwurf, dass der 53-Jährige mindestens einen Luchs in einer Falle gefangen und später erschossen hat. Zum einen wurde die Falle sichergestellt. Sie ist mit 2,5 Metern Länge, 85 Zentimeter Breite und 85 Zentimeter Höhe ein außerordentlich großes Gerät und soll mindestens drei Jahre an derselben Stelle im Wald gestanden haben. Zum anderen wurden in der Falle Haare von Rehen und einem Luchs entdeckt. Aber nicht nur deshalb sind die Ermittler überzeugt, dass in der Falle ein Luchs gefangen wurde. Sondern auch, weil sich der Angeklagte vor Zeugen damit gebrüstet und diesen sogar erklärt haben soll, welche Schusswaffen sich gut für das Erschießen des in dieser Falle gefangenen Luchses geeignet hätten.

Wilderer stellen aber nicht nur streng geschützten Luchsen nach. Sondern vor allem Greifvögeln. Allein im Landkreis Cham summiert sich die Zahl der illegal getöteten Vögel seit 2017 auf etwa 70 Tiere. Die meisten starben an Ködern, die mit dem Kontaktgift Carbofuran präpariert worden waren. Das Insektizid ist seit 2007 EU-weit verboten. Auch in anderen Regionen, etwa in der Rhön, kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Vergiftungen von Greifvögeln. Anlässlich des Prozesses in Cham hat sich eine neue Allianz aus dem LBV, der Umweltorganisation WWF und dem Bayerischen Jagdverband gegen Wilderei gebildet. Das Bündnis ist insofern ungewöhnlich, als sich nun auch der Jagdverband klar gegen Artenschutzstraftaten positioniert - was in der Vergangenheit nicht immer eindeutig der Fall war.

Nun aber heißt es in der "Regensburger Erklärung gegen Wilderei und Artenschutzkriminalität", welche die drei Organisationen am Mittwoch in Regensburg veröffentlicht haben: "Die illegale Tötung streng geschützter Wildtiere ist kein Kavaliersdelikt. Diese Straftaten müssen konsequent verfolgt werden." Dazu fordern LBV, WWF und BJV standardisierte Verfahren bei Polizei und Justiz für die Aufnahme und Ermittlungen solcher Straftaten, eine zentrale Wildereidatei beim Landeskriminalamt und eine stärkere Verankerung des Komplexes in der Aus- und Weiterbildung der Ermittlungsbehörden.

Denn in einem Punkt sind sich Experten wie Lindeiner einig. "Der Wilderei streng geschützter Tiere wird man nur Herr, wenn Polizei und Justiz hart gegen sie vorgehen", sagt der LBV-Mann. Dafür sei der Prozess vor dem Amtsgericht Cham ein gutes Beispiel. Seit die Polizei und die Staatsanwaltschaft Regensburg gegen den Angeklagten ermitteln, ist im Bayerischen Wald kein Luchs mehr unter unklaren Umständen verschwunden. Im Gegenteil: Der kleinen Population dort geht es so gut wie seit Jahren nicht mehr.

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SZ vom 12.09.2019
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