Süddeutsche Zeitung

Tarifauseinandersetzungen:Kampfzone BRK

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Von Dietrich Mittler, München

Sogar nachts erhält Verdi-Fachbereichsleiter Robert Hinke inzwischen Mails von Rettungskräften des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK). Hinke ist bei der Gewerkschaft zuständig für die Tarifverhandlungen im Bereich Gesundheit und Soziales. Die jüngste Mail erreichte ihn um 0.17 Uhr. "Auch bei mir wurde schon zweimal die maximale Wochenarbeitszeit von 60 Stunden überschritten", schrieb da ein BRK-Rettungsassistent aus Nordbayern. Die Zustände würden immer schlimmer, Kollegen würden krank. "Es fehlt hinten und vorne an Personal - und uns wird noch gedroht", endet die Mail.

"Von der Arbeitgeberseite werden solche Fälle bagatellisiert", sagt Hinke. Klar ist, Verdi und das BRK sind sich derzeit alles andere als grün. Mehr als zwei Jahre währt bereits das Ringen um einen neuen Manteltarifvertrag. Die Nerven liegen blank. Daran dürfte sich in naher Zukunft nichts ändern. Verdi hat eine neue Aktion gestartet. Titel: "Tatort BRK - Arbeitszeitrechtsverletzungen." Rotkreuz-Mitarbeiter sollen Verdi umgehend alle Verstöße bei der Dienstplangestaltung melden, "die beim BRK vorzufinden sind". "Das Arbeitszeitgesetz ist Arbeitnehmerschutz. Verstöße dagegen sind alles andere als Bagatelldelikte", sagt Hinke.

Er hofft auf viele Rückmeldungen, auch wenn ihm die jüngste Mail zu denken geben dürfte. "Viele Kollegen haben Angst, sich bei euch zu melden", heißt es da. Hinke indes baut darauf, dass sich die Fronten doch noch aufweichen. "Wir hoffen nach wie vor, dass wir beim nächsten Verhandlungstermin am 5. Mai auf Arbeitgeberseite die Bereitschaft zu einer konstruktiven Lösung finden", sagt er.

Die jüngste Aktion "Tatort BRK" bewirkt allerdings bereits jetzt das genaue Gegenteil. Die Fronten verhärten sich weiter. "Die rücken uns damit in die Nähe von Straftaten und Verbrechen im Zusammenhang mit einer Tarifauseinandersetzung", sagt BRK-Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk. Dies sei "eine Grenzüberschreitung, die nicht akzeptabel" sei und eindeutig "unter die Gürtellinie" gehe. "Das bringt das Ganze zum Explodieren", warnt Stärk. Das BRK hat die jüngste Verdi-Kampagne nicht vergessen. In der hieß es, überlastete Rettungskräfte seien der Patientensicherheit alles andere als zuträglich.

Verdi verweist darauf, dass in den zurückliegenden zwei Jahren mehrmals die Gewerbeaufsicht einschreiten musste, um beim BRK Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz zu unterbinden. Keine Einzelfälle, wie Roman Martynez, der für Niederbayern zuständige Verdi-Mann, andeutet. Gerade erst seien ihm aus Ostbayern weitere Fälle zugetragen worden, in denen Rettungsteams weit über die offizielle Arbeitszeit von zwölf Stunden am Tag hinaus im Einsatz waren.

Prüfung der Gewerbeaufsicht zeigt Wirkung

In Straubing und Landshut hätten die Eingriffe der Gewerbeaufsicht Wirkung gezeigt. "Inzwischen haben die Straubinger Kollegen keine Zwölf-Stunden-Dienste mehr, ihre Dienste dauern jetzt nur noch acht Stunden", sagt Martynez. Die Verstöße seien einfach "zu massiv" gewesen. Die Gewerbeaufsicht habe deshalb auch keine Rücksicht mehr "auf die übliche BRK-Argumentation genommen", dass die Arbeitszeitüberschreitungen nur ausnahmsweise geschehen seien - etwa aufgrund kurzfristiger krankheitsbedingter Ausfälle unter den Rettungskräften.

Aus Martynez' Sicht ist dieses Argument vorgeschoben: Im Bereich Straubing habe die Gewerbeaufsicht in einem Monat "bis zu 30 Verstöße festgestellt, in denen die Beschäftigten länger als zwölf Stunden arbeiten mussten".

BRK-Geschäftsführer Stärk bleibt jedoch dabei: "Wir machen das ja nicht aus Jux und Tollerei." Vielmehr bedinge sich das alles aus der Natur des Rettungsdienstes. Notfälle träten eben auch kurz vor Dienstschluss ein. Das BRK will das Problem nun politisch angehen - durch eine Initiative zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes. Ziel: Demnach wäre es kein Rechtsverstoß mehr, Rettungskräfte im Notfall auch nach zwölf abgeleisteten Arbeitsstunden einzusetzen.

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SZ vom 24.04.2017
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