Süddeutsche Zeitung

SZ-Vogel:Schnepfinger hat eine clevere Flugroute gewählt

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Die Vogelschützer sprechen von einer "Wahnsinnsleistung": Der Brachvogel ist in etwa 36 Stunden knapp 2200 Kilometer geflogen.

Von Christian Sebald, München

Am Tag nach Schnepfingers Landung im Königsauer Moos kriegen sie sich beim Landesbund für Vogelschutz (LBV) gar nicht ein vor lauter Begeisterung. "Mit so einer Wahnsinnsleistung hat keiner gerechnet", sagt der oberste Artenschützer beim LBV, Andreas von Lindeiner, nach einer ersten Auswertung der Flugdaten. "Und zwar nicht nur, weil der Brachvogel nur eine fünf Stunden kurze Pause im Rhônedelta gemacht hat. Sondern vor allem wegen seines immensen Tempos. Im Schnitt war er mit Tempo 70 unterwegs. Das macht ihm so schnell kein anderer Vogel nach."

Erst am Montag gegen 23 Uhr war Schnepfinger in seinem Überwinterungsgebiet im südspanischen Nationalpark Coto de Doñana gestartet. Am Mittwochvormittag gegen elf Uhr erreichte er wohlbehalten sein Heimatrevier im Königsauer Moos im unteren Isartal. Die Strecke, die er zurückgelegt hat, ist knapp 2200 Kilometer lang. Die Etappe von Südspanien ins Mündungsgebiet der Rhône betrug 1250 Kilometer, von dort nach Niederbayern waren es 950 Kilometer.

Es sind nicht diese Kennzahlen alleine, die Lindeiner begeistern. "Wenn man sich die Route ein wenig näher ansieht, erkennt man schnell, wie geschickt sie gewählt ist", sagt Lindeiner. Zum einen hat Schnepfinger sowohl die Pyrenäen als auch die Zentralalpen weitläufig umflogen. "Das war sehr clever", sagt Lindeiner. "Im Hochgebirge herrschen noch sehr widrige Verhältnisse. Viel Schnee, es ist kalt und windig."

Zum anderen hat Schnepfinger sich an prägnanten Talmarken orientiert. "In Spanien ist er meist an Flüssen entlang geflogen," sagt Lindeiner. "Von Grenoble nach Genf und weiter nach Bern und Zürich war er in der Nähe von Autobahnen unterwegs." Besonders hingerissen ist Lindeiner davon, wie geradlinig der Brachvogel seinen Rastplatz im Mündungsdelta der Rhône angesteuert hat - nach 200 Kilometer Flug über dem freien Mittelmeer. "Solche Leistungen sind der Grund, warum der Vogelflug nach wie vor eines der großen Mysterien der Biologie ist", sagt Lindeiner.

Das Forschungsprojekt, bei dem LBV-Leute Schnepfinger und anderen bayerischen Brachvögeln GPS-Sender auf den Rücken geschnallt haben, soll dieses und andere Mysterien dieser Art aufklären. Denn bisher weiß man nur wenig über die seltenen Vögel mit den langen, nach unten gebogenen Schnäbeln. Schnepfinger hat den Rekordflug gut überstanden. Der GPS-Sender auf seinem Rücken meldet sich mit schöner Regelmäßigkeit aus dem Königsauer Moos.

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Quelle:
SZ vom 15.03.2019
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