Süddeutsche Zeitung

Antisemitismus:Mehr als 140 Strafverfahren nach Hamas-Überfall auf Israel

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Die Konflikte im Nahen Osten haben in den vergangenen Monaten auch die bayerischen Strafverfolger erheblich beschäftigt. Sie müssen sich immer wieder mit Taten beschäftigen, die gegen Israel gerichtet sind.

Der Angriff der Terrorgruppe Hamas auf Israel am 7. Oktober hat nach Angaben der Münchner Generalstaatsanwaltschaft zu einer Serie von antisemitischen Straftaten in Bayern geführt. Es wurden seitdem 142 Ermittlungsverfahren eingeleitet, die mit dem Angriff auf Israel und der darauffolgenden kriegerischen Auseinandersetzung im Gazastreifen im Zusammenhang stehen, wie die Generalstaatsanwaltschaft berichtete. Es gebe weltweit gestiegene Fallzahlen antisemitischer Übergriffe und Straftaten, betonten die Strafermittler.

Laut der Generalstaatsanwaltschaft sind in den meisten Fällen die Täter noch unbekannt. "In 29 Fällen konnten Tatverdächtige ermittelt werden", berichtete ein Sprecher. Die Verfahren seien zum großen Teil noch nicht abgeschlossen. In Einzelfällen gab es aber bereits Prozesse wegen der Taten.

Bereits Ende November hatte das Münchner Amtsgericht einen Mann verurteilt, der am Tag des Terrorangriffs der Hamas antisemitische Beschimpfungen von seinem Balkon gebrüllt hatte. Der Mann erhielt unter anderem wegen Volksverhetzung acht Monate Haft auf Bewährung. Ebenfalls in München wurde ein Angeklagter im Dezember per Strafbefehl wegen Billigens von Straftaten verurteilt. Der Mann hatte auf Facebook geschrieben, "jüdische Söhne sollen abgeschlachtet werden". Die Geldstrafe von 5400 Euro ist dem Sprecher zufolge mittlerweile rechtskräftig.

Die Augsburger Justiz muss sich damit befassen, dass im Oktober zweimal binnen weniger Tage die aus Solidarität vor dem Augsburger Rathaus gehisste Israel-Flagge heruntergerissen wurde. Im Januar wurde deswegen ein 19-Jähriger wegen einer Beihilfehandlung zu einer Jugendstrafe verurteilt. Der junge Syrer hatte zugegeben, kurz nach dem Hamas-Überfall in dessen Auftrag einen anderen Syrer dabei gefilmt zu haben, wie der die Fahne vom Mast holte und anstecken wollte. Eine couragierte Passantin griff ein und verhinderte, dass die Flagge verbrannt wurde. Die anderen an den beiden Taten in Augsburg beteiligten Personen konnten zunächst allerdings nicht vor Gericht gestellt werden.

Auch in München gibt es ein ähnliches Strafverfahren: Dort wurde sechs Tage nach dem Anschlag der Hamas am Marienplatz eine israelische Nationalflagge beschädigt.

Laut der Generalstaatsanwaltschaft handelt es sich bei den Taten der vergangenen Monate oftmals um herabsetzende Äußerungen. Ein Beispiel dafür: Im Internet wurde der historische jüdische Friedhof im unterfränkischen Euerbach als "Jüdischer Friedhof der Hamas" bezeichnet; auch hierbei wird wegen Volksverhetzung ermittelt.

Untersuchungen wegen Sachbeschädigung gibt es wegen Schmierereien "Free Palestine" an der Frauenkirche und einem Container in München. An den Container im Stadtteil Milbertshofen wurde auch "Juden Sau" geschmiert. In mehreren Fällen wird wegen Bombendrohungen gegen Israelitische Kultusgemeinden und andere öffentliche Einrichtungen ermittelt. In Senden bei Neu-Ulm wurde das Schaufenster eines israelischen Lebensmittelladens zerstört. In einem Fall geht es darum, dass jemand ein Video im Netz gelikt hatte, in dem zu sehen ist, wie auf ein Todesopfer des Terrorangriffs, das zusätzlich getreten wird, uriniert wird. Es wird wegen Verunglimpfens des Andenkens Verstorbener sowie Billigung von Straftaten ermittelt.

Bei der Generalstaatsanwaltschaft in München ist seit 2021 Oberstaatsanwalt Andreas Franck als zentraler Antisemitismusbeauftragter der bayerischen Justiz tätig. Zudem gibt es bei allen 22 Staatsanwaltschaften im Freistaat spezialisierte Beamte für diesen Bereich.

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