Süddeutsche Zeitung

SPD-Landesvorsitzender Pronold:"Weil er's kann"

Lesezeit: 3 min

89,7 Prozent bei der Wahl zum Landesvorsitzenden: Die taumelnde Bayern-SPD vertraut ihr Schicksal dem jungen, einst ungeliebten Florian Pronold an.

Katja Auer, Weiden

Die Bayern-SPD hat einen neuen Chef. Den Flori. Die neue und möglicherweise letzte Hoffnung der bayerischen Sozialdemokraten ist 36Jahre alt und wird von den Genossen konsequent beim Kosenamen gerufen. Von Nürnbergs Oberbürgermeister Uli Maly zum Beispiel, der am Samstag beim Parteitag in Weiden den offiziellen Vorschlag macht, Florian Pronold zum Nachfolger von Ludwig Stiegler zu wählen. "Der Flori ist sein eigener Kopf, und das ist es ja auch, was wir suchen", sagt Maly.

Darin nun war sich die Bayern-SPD lange nicht einig, denn Pronold, der der Partei schon 20Jahre angehört, ist ebenso lange umstritten. Das weiß auch Maly, und er benennt die Etiketten, die Pronold anhaften. Dass er als Vorsitzender der Jusos "keine Wade ausgelassen hat", dass er Stieglers Ziehsohn sei und ein Berufspolitiker. Maly kann an allem gute Seiten finden und zieht den Schluss, "dass der Flori der Richtige ist".

Der bemüht sich redlich, seine Partei von sich zu überzeugen. Im schwarzen Anzug, die Haare brav gescheitelt, fordert er den Neuanfang. "Wir müssen uns verändern, wir müssen was anderes machen", sagt er. Pronold hat begriffen, dass seine Partei eine grundlegende Veränderung braucht und hat die Bereitschaft für einen Strukturwandel zur Bedingung für seine Kandidatur gemacht.

Das war in der Bayern-SPD lange undenkbar, in der Schönrednerei und Selbstmitleid zum Programm gehörten. Noch nach der Europawahl im Juni, bei der die Sozialdemokraten auf historisch schlechte 12,9 Prozent abstürzten, analysierten manche Sozis, dass nicht die Partei, sondern die Wähler die Fehler gemacht hätten. Ludwig Stiegler übernimmt in seiner Abschiedsrede am Samstag die Verantwortung für die Serie von Wahlniederlagen, die die SPD während der vergangenen fünf Jahre eingefahren hat. "Flori, ich hätte dir gern mehr übergeben, es ist mir sauzwider", sagt Stiegler und appelliert an die knapp 300Delegierten: "Gebt ihnen Rückenwind und einen guten Start."

Pronold räumt ein, dass immer mehr Menschen mit der Sozialdemokratie offenbar nichts anfangen können. Die jungen, großstädtischen Wähler will er ansprechen, jene, deren Lebenswirklichkeit geprägt ist von Freiheit und Individualismus. Die ihre Stimme entweder den Grünen oder der FDP geben. "Wir müssen deutlich machen, dass wir die Partei der Freiheit sind", sagt Pronold. Die SPD dürfe nicht nur "die Betriebsräte der Gesellschaft" stellen, wenn etwas schiefgehe, sagt er. Stattdessen müssten die Sozialdemokraten "die Garanten sein, dass Freiheit und Individualität in der Gesellschaft gelebt werden können". Er sei überzeugt davon, dass in Bayern "viel mehr Herzen im sozialdemokratischen Takt schlagen, als es sozialdemokratische Wähler gibt".

Am Ende beklatschen ihn fast alle Delegierten stehend, und viele bestätigen später, dass Pronold mit seiner guten Rede wohl noch ein paar Prozent herausgeholt habe. Er bekommt 89,7Prozent. Noch vor einem Jahr wäre das undenkbar gewesen, als Pronold mit dem schlechtesten Ergebnis zu Stieglers Stellvertreter gewählt worden war. An diesem Samstag aber demonstriert die Bayern-SPD Einigkeit. Sie setzt alles Vertrauen in den jungenhaft wirkenden Niederbayern, der verhindern soll, dass die Partei vollends in die Bedeutungslosigkeit abrutscht. Warum ausgerechnet ihm das gelingen sollte? "Weil er's kann", sagt sein Vater, Ambros Pronold, der als Delegierter auf dem Parteitag ist.

Müntefering verbreitet Zuversicht

Mithelfen soll dabei auch die neue Generalsekretärin Natascha Kohnen. Fünf Jahre lang hatte die Bayern-SPD dieses Amt nicht besetzt. In der Partei bislang recht unbekannt, erhält die 41-jährige Landtagsabgeordnete auf Anhieb 93,6Prozent. Sie will kein klassischer Wadlbeißer sein, sondern vor allem das Thema abdecken, für das Pronold mangels Ehefrau und Kindern nicht stehen kann: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das beste Ergebnis fährt der Landtagsfraktionsvize und AWO-Landesvorsitzende Thomas Beyer ein. Er wird mit 96,3Prozent der Stimmen als Parteivize bestätigt. Neue Stellvertreter sind die Weidener Landtagsabgeordnete Annette Karl (93,3) und der Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer (68,1).

Sogar SPD-Parteichef Franz Müntefering kommt am Sonntag und verbreitet ebenfalls Zuversicht. "Es ist fast alles möglich", sagt der Bundesvorsitzende. "Wir wollen gewinnen, wir müssen gewinnen und wir werden gewinnen." Aber weil die Bayern-SPD trotz Aufbruchstimmung halt immer noch die gleiche Partei ist, wird freilich auch heftig debattiert. So spricht sich der Parteitag gegen die Rente mit 67 aus und weicht damit von der offiziellen Berliner Linie ab. Zudem positionieren sich die Delegierten gegen eine dritte Startbahn für den Münchner Flughafen - anders als die Genossen in der Landeshauptstadt.

Eine Grundsatzdiskussion gibt es über die Bildungspolitik. Die Jusos fordern per Antrag die Auflösung des dreigliedrigen Schulsystems und die Einführung der Gesamtschule. Klare Worte findet die Vorsitzende Marietta Eder: "Ich habe keinen Bock mehr auf Zwischenlösungen" ruft sie, und das geht klar in Richtung Landtagsfraktion. Die Abgeordneten werden von den Jusos als Bremser kritisiert, weil sie nur schrittweise die Dreigliedrigkeit aufgeben wollen und etwa nicht die Auflösung der Gymnasien fordern. Fraktionschef Franz Maget nimmt die Kritik gelassen: "Man wäre nicht Juso, wenn man nicht immer streitige Papiere vorlegen würde."

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SZ vom 13.07.2009
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