Süddeutsche Zeitung

Skitouren:Die erhabene Stille der Bergwelt für 15 Euro

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Von Matthias Köpf, Kreuth

Einsamkeit und Ruhe in der erhabenen Stille der Bergwelt, zu hören sind nur der eigene Atem, das Knirschen des Schnees und das Gleiten der Felle. Danach eine Abfahrt über unberührte Hänge, weitab vom nächsten Lift und dem üblichen Trubel des alpinen Skibetriebs.

So stellen sich viele immer noch eine Skitour vor, und genau weil immer mehr Menschen das gerne selbst so erleben wollen, erlebt das Tourengehen seit Jahren einen anhaltenden Boom. Rund um den Tegernsee ist es mit der Einsamkeit und Ruhe sowieso schon längst vorbei, auch in der Dunkelheit kämpfen sich unzählige Tourengeher diodenbeleuchtet auf die Berge. Doch das, was seit diesem Donnerstag bis zum Saisonende wöchentlich im Angebot ist, hat für manche eine neue Qualität.

Jeden Donnerstagabend soll ein Bus vom Münchner Zentralen Omnibusbahnhof an der Hackerbrücke die Tourengeher aus der Hauptstadt zum nächtlichen Trip an den Hirschberg karren. Eine Agentur bietet für 15 Euro die Busfahrt zum Berg nach Kreuth, Abfahrt München um 18 Uhr, Rückfahrt um 22.15 Uhr. In Kreuth freut sich die Skischule Tegernsee als lokaler Partner und Gastgeber im Tal auf die Buspassagiere. Sie verleiht nötigenfalls Ausrüstung und kann bei Bedarf auch Skiführer stellen.

Alleine verlaufen wird sich aber wohl kaum ein Teilnehmer, denn die Tour beginnt fast zwangsläufig im Pulk mit den anderen Fahrgästen aus dem Bus. Wer lieber einigermaßen in der Ebene bleibt, kann im Tal als Langläufer die Flutlichtloipe nutzen. Die Piste für die Alpin-Fahrer soll an den Donnerstagabenden nicht präpariert werden, um Kollisionen der abfahrenden Tourengeher mit den Pistenraupen zu verhindern.

Kritikern wie Angela Brogsitter von der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal missfällt die fortschreitende Eventisierung der ganzen Gegend, wozu Brogsitter auch den neuen Skitouren-Nachtbus zählt. Sie erinnert daran, dass es in Kreuth einmal Ambitionen gab, zu einem zertifizierten "Bergsteigerdorf" zu werden wie Ramsau im Berchtesgadener Land. Dazu braucht es naturnahen und nachhaltigen Tourismus, was die Schutzvereinsvorsitzende Angela Brogsitter mit dem neuen Angebot geradezu ins Gegenteil verkehrt sieht.

Denn der Hirschberg gilt im Winter als wichtiger Rückzugsraum für Birkhühner, Gämsen und auch für die namengebenden Hirsche. Die Tiere werden nach Ansicht vieler Naturschützer gerade im Winter ohnehin schon viel zu oft aufgeschreckt. Dass die Tourengänger nun auch noch nachts und gleich busweise den Hirschberg hinaufziehen sollen, ist manchen kritischen Beobachtern endgültig zu viel.

Wenn schon Gäste, dann immerhin nicht alle mit dem Auto

Allerdings sollen die Fahr- und Skigäste nur maximal 700 Höhenmeter aufsteigen und spätestens an den Rauheckalmen 200 Meter unterhalb des Hauptgipfels kehrt machen. Der örtliche Alpenverein hat am Hirschberg schon bisher Schilder aufgestellt, wonach Touren auf den Gipfel möglichst nur tagsüber zwischen 10 und 16 Uhr unternommen werden sollen, also gerade nicht am Abend, wenn der Bus aus München kommt.

Der Alpenverein sieht sich neben dem Bergsport ausdrücklich dem Naturschutz verpflichtet und hofft nun, dass sich die neuen nächtlichen Skigäste an die Aufforderung auf den Schildern halten. Darüber hinaus trösten sich die Naturschützer mit einem Argument, das schon beinahe resignativ anmutet: Wenigstens kämen die womöglich 30 oder mehr nächtlichen Tourengeher alle zusammen in einem Bus und nicht jeder einzeln in seinem Auto.

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Quelle:
SZ vom 13.01.2017
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