Süddeutsche Zeitung

Seehofer als Werbefigur für Online-Agentur:Seitensprung-Portal wirbt mit Konterfei des CSU-Chefs

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Horst Seehofer ist derzeit groß am Berliner Alexanderplatz plakatiert. Bayerns Ministerpräsident dürfte davon allerdings wenig begeistert sein: Die Kampagne bewirbt ein Online-Seitensprung-Portal. Es ist nicht das erste Mal, dass das Unternehmen mit fragwürdigen Marketingmethoden polarisiert.

Tobias Dorfer

Auf den ersten Blick wirkt das Plakat, das seit Montagabend an der Fassade des Park-Inn-Hotels am Berliner Alexanderplatz hängt, harmlos. Links schaut ziemlich ernst Arnold Schwarzenegger, der frühere Gouverneur von Kalifornien. Rechts ist das Gesicht des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton zu sehen. Und in der Mitte ist Horst Seehofer abgebildet.

Im normalen Leben hätte der bayerische Ministerpräsident wahrscheinlich nichts dagegen, von Clinton und Schwarzenegger eingerahmt zu sein. In diesem Fall ist die Sache jedoch ziemlich heikel - denn das Plakat wirbt für Ashley Madison, das nach eigenen Angaben weltgrößte Online-Seitensprung-Portal aus Kanada.

Freiwillig dürften Clinton, Seehofer und Schwarzenegger, die in der Vergangenheit mit außerehelichen Affären Schlagzeilen machten, ihr Gesicht wohl nicht für die skurrile Kampagne hergegeben haben. In der Bayerischen Staatskanzlei will man zur Seitensprung-Werbung mit Seehofer deshalb gar nichts sagen. "Kein Kommentar", lautet die knappe Reaktion seiner Sprecherin.

Für Ashley Madison könnte die provokante Werbung jedoch Folgen haben. "Das Intimleben prominenter Personen hat nichts in der Öffentlichkeit verloren. Man darf es nicht ungefragt für Werbezwecke missbrauchen", sagt der Kölner Medienanwalt Ralf Höcker, der unter anderem Heidi Klum und Jörg Kachelmann betreut und im Auftrag seiner prominenten Klienten bereits Werbekampagnen für Selbstbräuner, Thermometer und Spaßbäder gerichtlich verbieten ließ.

Grundsätzlich sei Reklame mit Prominenten in Ordnung, sofern sich die Kampagne "in ironisch-kritischer Weise" mit der Person und ihrem öffentlichen Wirken auseinandersetze, sagt Höcker. Das falle noch unter Meinungsfreiheit.

Als die Autovermietung Sixt während des Lokführerstreiks in den Jahren 2007 und 2008 ein Bild des Gewerkschaftschefs Manfred Schell zeigte ("Immer mehr Bahnkunden entdecken die günstigen Preise bei Sixt."), sei dies nicht zu beanstanden gewesen, sagt Höcker zu sueddeutsche.de. Wenn die Anzeige jedoch nur darauf angelegt sei, mit dem bekanntgewordenen Intimleben eines Prominenten und pikanten Details daraus platt Aufmerksamkeit zu schinden, dann sei das nicht zulässig. Höcker hält viele Werbeagenturen schlicht für "zu unkreativ" und deshalb seien ihre Kampagnen leicht angreifbar.

Diese Erfahrung hat auch der Springer-Verlag gemacht. Für eine Kampagne von Welt kompakt gestaltete der Konzern ungefragt die Gesichter mehrerer Prominenter zu Babyköpfen um. Der frühere Außenminister Joschka Fischer sah seine Persönlichkeitsrechte verletzt - und hatte vor Gericht Erfolg. Das Landgericht Hamburg sprach dem Grünen-Politiker 200.000 Euro zu.

Derartige Konsequenzen nimmt das Seitensprung-Portal offenbar gerne in Kauf. Denn Gründer Noel Biderman sieht in den drei Politikern ideale Werbeträger: "Seitensprünge sind vollkommen menschlich und können einer Beziehung sogar guttun", sagt der Kanadier. "Aber davon darf natürlich niemand etwas mitbekommen! Gerade wer wie Horst Seehofer in Amt und Würden steht, sollte den Teufel tun, sich erwischen zu lassen." Bislang, so sagt Bidermann zu sueddeutsche.de, sei noch keine Beschwerde gegen das Plakat eingegangen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Ashley Madison bekannte Persönlichkeiten ohne deren Zustimmung für seine Zwecke einspannt. Als die Eheprobleme von Tiger Woods bekannt wurden, unterbreitete das Portal dem Profigolfer öffentlichkeitswirksam einen mit fünf Millionen Dollar dotierten Werbevertrag.

Auch Yonni Barrios bekam ein solches Angebot. Während der Bergarbeiter aus Chile - zusammen mit 32 weiteren Bergleuten - im vergangenen Jahr 69 Tage lang in einer Mine eingeschlossen war, kam heraus, dass er eine Affäre hatte. 100.000 Dollar bot Ashley Madison dem Minenarbeiter als Werbegesicht. Einzige Bedingung: Barrios sollte mit seiner Ehefrau verheiratet bleiben.

Dass ihm der Wirbel, den seine Aktionen verursachen, durchaus gelegen kommt, daraus macht Biderman keinen Hehl: "Wenn die Leute mein Angebot annehmen - wunderbar", sagte der Kanadier Anfang des Jahres der Zeitschrift GQ. "Wenn nicht, habe ich mein Geld gespart, erzähle der Presse davon und kriege trotzdem meine Publicity." Manche Promis würden das hinnehmen, sagt Medienanwalt Höcker. Sie wollten nicht, dass die Geschichte noch mehr Öffentlichkeit bekommt.

Ashley Madison steht schon lange am Pranger. Kritiker sagen, das Unternehmen würde Ehen zerstören. Die Verantwortlichen des Seitensprung-Portals können das nicht nachvollziehen. "Ashley Madison möchte niemanden dazu bringen, fremdzugehen. Wenn Sie Probleme in Ihrer Partnerschaft oder Ehe haben, sollten Sie eine Beratungsstelle aufsuchen", heißt es blumig auf der Internetseite. Und weiter: "Unser Angebot erhöht die Wahrscheinlichkeit des Fremdgehens genausowenig, wie die Herstellung von Glasflaschen den Alkoholismus fördert."

Gründer Noel Biderman würde das Angebot von Ashley Madison übrigens nicht nutzen, sagte er der Bunte: "Meine jüdische Religion verbietet das Fremdgehen. Mit meiner Frau führe ich eine monogame Beziehung."

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