Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Warum Bayerns Schüler mehr Schafkopfen sollen

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Das fordern jetzt ausgerechnet die Lehrer, denn: Karteln fördert die politische Bildung. Und tatsächlich gibt es erstaunliche Parallelen.

Kolumne von Christian Rost

Wenn es ums Schmieren geht oder darum, dass der Ober den Unter sticht, wenn jemand ein Solo spielt, dann ist in Bayern entweder vom politischen Tagesgeschäft die Rede - oder vom Karteln. Etliche Begriffe, die beim Schafkopf durchs Spiel führen, beschreiben genauso gut die Methoden beim Machtkampf in gewissen Parteien, wenn diese einen neuen Vorsitzenden suchen.

Wer an dieser Stelle an die Herren Söder und Seehofer denkt, liegt gar nicht so falsch. Die beiden sind sozusagen die Ober beim Schafkopf, die den Untern den Marsch blasen, wenn nicht gerade ein Wenz gespielt wird. Bei einem Wenz sind die Ober sozusagen gerade nicht da, dann sind sie wahrscheinlich in Berlin. Und in diesem Fall haben die Unter, also die Minister und sonstigen Ministerialen, in München auch mal was zu sagen.

Nun hat den Schafkopf erstaunlicherweise nicht die CSU erfunden, obwohl es so viele Parallelen gibt. Vielmehr ist es offenkundig so, dass sich die Partei an den Regeln des beliebten bayerischen Zeitvertreibs orientiert. Markus Söder ist momentan auf Solo-Kurs - also allein gegen alle. Horst Seehofer indes hat einen Ramsch gespielt - dabei gilt es, möglichst wenig Punkte zu sammeln. Dass die beiden menschlich nie zusammenkamen, liegt allein daran, dass es beim Schafkopf von Region zu Region mitunter ganz unterschiedliche Regeln gibt.

Weil dieses Spiel so vielfältig und so lehrreich ist, solle es an den Schulen gefördert werden, meint der Bayerische Philologenverband. Der Augsburger Schulpädagogik-Professor Klaus Zierer pflichtet dem bei. "Der Bildungsgehalt des Schafkopfs ist nicht hoch genug einzuschätzen", erklärt er in einer Mitteilung des Verbandes. Schüler könnten beim Schafkopf mathematische, soziale und strategische Kompetenzen erlernen. Zierer erwähnt zwar nicht explizit Söder und Seehofer, betont aber, dem Bildungs- und Erziehungsauftrag werde beim Schafkopf in einem umfassenden Sinn nachgekommen.

Und was meint der Kultusminister dazu? Michael Piazolo würde es begrüßen, wenn das Karteln in den Schulen zur Brauchtumspflege einen festen Platz bekäme. Wobei er von den Freien Wählern ist. Und die sind im Vergleich mit der CSU noch beim Neunerln, einem viel einfacheren Spiel - das auch Mau-Mau heißt.

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Quelle:
SZ vom 28.12.2018
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