Süddeutsche Zeitung

Erste Bilder von Rettungsaktion:Zentimeter für Zentimeter

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Die Lichtkegel von Stirnlampen fallen in den Schacht. In einem Loch kniet ein Retter, auf seinem Rücken liegt die Trage, in der Johann W. zur Oberfläche gebracht werden soll. Erstmals zeigen Videobilder aus der Riesending-Höhle, wie beschwerlich die Rettungsaktion ist.

Von Sarah Kanning, Berchtesgaden

Es sind klaustrophobische Videobilder, die aus der Riesending-Schachthöhle im Untersberg bei Berchtesgaden kommen: Stirnlampen von einem Dutzend Retter erleuchten notdürftig einen steilen Schachtabschnitt, in einem Loch kniet ein Retter in einem orangefarbenen Schutzanzug. Auf seinem Rücken liegt die schmale Trage, in der Johann W. seit drei Tagen in Richtung Oberfläche geschafft wird. "Avanti" ruft jemand aus dem Hintergrund und viele Hände wuchten die Trage über einen Felsbrocken.

Die Aufnahmen stammen vermutlich vom Sonntag. Höhlenretter haben sie mit ihren Stirnkameras aufgezeichnet. Sie zeigen erstmals, wie beschwerlich die Arbeit in der Höhle tatsächlich ist: Zentimeter für Zentimeter zieht ein Helfer ein Seil durch eine Steigklemme. An diesem Seil schwebt, mit zwei Flaschenzügen gesichert, die mumienartige Trage parallel zum glitschigen Höhlenboden. Darüber hangeln sich Retter wie Spinnen an Sicherheitsseilen an den Wänden entlang.

Die Anstrengungen sind enorm. Die Gesichter der Höhlenretter sind angespannt, bleich, für die zehn Helfer sind viele Höhlenabschnitte fast zu schmal. Die Bilder stammen vermutlich aus dem Streckenabschnitt der "Langen Geraden", wo die Höhle noch relativ horizontal verläuft. Inzwischen haben sich die Retter in der Senkrechten bis zu Biwak 3 vorgearbeitet.

Johann W. dürfte in seiner Trage wenig mitbekommen, er ist fest eingebunden. Die Arme sind an seinem Körper fixiert, die Füße stehen auf Trittbrettern. So kann die Trage in alle Richtungen bewegt werden, ohne dass W. herausrutschen oder den Hals bewegen kann.

Über seinem Kopf ist ein helmartiger Plastikschutz angebracht wie in einem MRT, damit er sich bei eventuellen Stößen nicht im Gesicht oder am Kopf verletzt. Der Höhlenforscher, der am Pfingstsonntag durch einen herunterfallenden Stein ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat, ist nach Angaben der Bergwacht auch am neunten Tag der Rettung stabil.

In Rastlager Biwak 3 in 700 Metern Tiefe legen die Retter und Johann W. nach dem neunstündigen Aufstieg nun eine längere Pause ein, damit sich der Patient erholen kann. Am Montagnachmittag soll die Rettungsaktion in der Riesending-Höhle in den Berchtesgadener Alpen weitergehen.

Die Helfer haben ein schweres Stück vor sich: Zwei weitere Rastlager liegen bis zur Erdoberfläche noch vor ihnen, jedes etwa eine Tagesetappe vom nächsten entfernt. Ein Helfer sagte vor einigen Tagen, die Retter könnten erst ab Biwak 1 etwas aufatmen.

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