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Piratenpartei und rechte Überläufer:Klarmachen zum Entern

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"Es sind Leute, die den Strukturen einen Tritt geben wollen": Politische Unbestimmtheit ist Programm bei den Piraten - und wird zunehmend zum Problem. Die Partei hat Überläufer aus der rechten Szene in den eigenen Reihen, zeigt sich aber auffallend verständnisvoll.

Mike Szymanski

Es ist ein Satz, der von vielen, die in diesen Tagen bei der Piratenpartei anheuern, so stammen könnte: "Ich war politikverdrossen, die Klüngelei hat mich geärgert - bei jeder Partei, und ich wollte daran etwas ändern." Er stammt von Valentin Seipt, 25 Jahre alt und bis Sonntag Kreisvorsitzender der Piratenpartei in Freising. Seipt hat mit diesen Worten versucht zu rechtfertigen, dass er zwischen 2007 und 2009 Mitglied und Funktionär der NPD gewesen ist. Seine rechtsextreme Vergangenheit hat ihn nun den Piraten-Posten gekostet. Ein "Fehltritt", entschuldigte sich Seipt und trat zurück. In der Partei darf er bleiben.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern hat ein Pirat seine rechtsextreme Vergangenheit offengelegt. Nun diskutiert die Partei im Internet, wie sie mit solchen Überläufern umgehen will. Ein Phil kommentiert: "Schade, denn eigentlich hat ja jeder eine zweite Chance verdient." Ein Christian schreibt: "Muss es immer gleich ein Rücktritt sein." Janus meint: "Fehler und Jugendsünden haben wir alle."

Zweite Chance, Fehler, Jugendsünde - die Piraten haben Mühe, ihr Verhältnis zu den Rechten zu erklären. Das Verständnis kommt nicht von ungefähr. Ähnlich wie Seipt, als er zur NPD ging, geht es heute vielen, die bei den Piraten mitmachen wollen. Sie sind enttäuscht von den etablierten Parteien. Manche wollen sich auch einfach nur mal richtig politisch ausleben.

Den rasanten Mitgliederzuwachs von 2600 auf jetzt 3500, den die Piraten in Bayern seit dem Parteierfolg bei der Berlin-Wahl verzeichnen, erklärt der politische Geschäftsführer Aleks Lessmann so: "Es sind Leute, die den Strukturen einen Tritt geben wollen." Das kommt einem doch sehr bekannt vor.

Die politische Unbestimmtheit macht die Piraten anfällig für Unterwanderungsversuche. "Rechts oder links - da sind wir nicht so leicht zu verorten", sagt Bayerns Piratenchef Stefan Körner. Konservative würden sich genauso engagieren wie extrem Linke. In einer Stellungnahme erinnert der Bundesvorstand an die Satzung. Dort heißt es: "Totalitäre, diktatorische und faschistische Bestrebungen jeder Art lehnt die Piratenpartei entschieden ab." Das heißt keineswegs, dass Leute wie Seipt künftig unerwünscht wären. "Der Einsatz gegen den Rechtsextremismus in Deutschland erfordert es auch, tatsächlichen Aussteigern eine Alternative anzubieten: Wer keine Möglichkeit zur Rehabilitation sieht, ist gefährdet, in den Fängen rechtsextremer Organisationen zu verbleiben." Die Piraten als Auffangbecken für Aussteiger? Sie trauen sich was.

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Quelle:
SZ vom 14.10.2011
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