Süddeutsche Zeitung

Oberammergau:Muslim wird Leiter der Passionsspiele

Von Karl Forster, Oberammergau

Der Mann ist immer für Überraschungen gut: Christian Stückl, dem Enfant-Terrible-Ruf längst entwachsener Regisseur und Chef des Münchner Volkstheaters, hat die Politiker seines Heimatortes Oberammergau offenbar davon überzeugen können, den ebenfalls dort aufgewachsenen Türken Abdullah Kenan Karaca als stellvertretenden Spielleiter der Passionsspiele 2020 zu akzeptieren. Jedenfalls tritt, so eine offizielle Meldung, der Gemeinderat am kommenden Montag zusammen, um über die gesamte Passionsspiel-Mannschaft Stückls zu entscheiden.

Die besteht demnach aus dem alten Team unter anderem mit Stefan Hageneier als Bühnen- und Kostümbildner und Markus Zwink als Musikchef, angereichert um den Moslem Karaca als Stückls Stellvertreter. Der aber ist nicht nur mit Stückl seelenverwandt, sondern längst als Regisseur anerkannt, spätestens seit seiner Inszenierung von "Arabboy" am Volkstheater im Jahr 2012. Bei großen Oberammergau-Produktionen wie "Joseph und seine Brüder" unterstützte Karaca Stückl bei der Arbeit.

Stückl hatte das Talent des 1989 in Garmisch geborenen Sohns einer türkischen Familie schon entdeckt, als dieser gerade mal elf Jahre alt war. Für die 2000er Passion suchte er ein Kind für die Bühne und überzeugte den muslimischen Vater des damals elfjährigen Abdullah, diesen bei dem Bibelwerk spielen zu lassen. "Aber mach' ihn nicht katholisch", soll der Vater noch gemahnt haben. Die Passion wird in Oberammergau nach einem Pestgelübde aus dem Jahr 1633 alle zehn Jahre aufgeführt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2516365
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.06.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.