Süddeutsche Zeitung

Nürnberg:Fahrschein-Sharing für Anfänger

Lesezeit: 2 min

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Man würde jetzt einen jungen Herren mit breiter Brust erwarten, einen, der beiläufig zu verstehen gibt, dass er beim Zähneputzen diese Welt um ein ganz entscheidendes Stückchen besser gemacht hat mit seiner Idee. Aber Paul Blotzki, 31, wohnhaft in Fürth, ist eher gar nicht dieser Typ. Er hat da was ins Internet gestellt, ja, das schon. Aber dass jetzt gleich die Zeitung anruft deshalb, schwierig. Ob man denn wisse, ob er da jetzt womöglich juristische Probleme zu erwarten habe, fragt der Student. Blotzki hat das "Karmaticket" erfunden, so nennt er seine Tickettasche zum Selberbasteln. Den U-Bahn-Fahrschein könnte man in so eine Tasche stecken, ein anderer Gast dürfte dann das Ticket nutzen, bis die 90 Minuten rum sind, in denen der Schein gültig ist. Theoretisch jedenfalls.

Praktisch sieht die Sache nicht ganz so rosig aus, aber wer das bei der zuständigen Verkehrs-Aktiengesellschaft (VAG) abfragen will, so heißen die Verkehrsbetriebe in Nürnberg, braucht ein wenig Geduld. Dort muss man sich in der Sache auch erst Mal schlau machen. Zuständig sind die Hausjuristen, schon klar, aber irgendwie scheint es da mehrere zu geben. Jedenfalls steht am Ende die klare Ansage: Das geht gar nicht. Und warum? Ja, da wird es schon deutlich diffiziler.

Das Problem mit der "einen Fahrt"

Es ist so: Stimmt schon, auf dem Fahrschein ist hinterlegt, dass ein U-Bahn-Ticket in Nürnberg, Fürth und Stein für, Achtung, 90 Minuten gilt. Genau das hatte sich der Student Blotzki auch angeschaut. Anderthalb Stunden, super. Hängt man das selbst gebastelte Ticket-Einstecktäschchen, sagen wir, in ein Zwischengeschoss des U-Bahnhofs in Nürnberg-Gostenhof. Und dann darf ein sozial denkender Mensch von Nürnberg-Nord über den Hauptbahnhof bis eben nach Gostenhof fahren. Kann beim Aussteigen das Ticket ins Täschchen stecken. Und damit einem Gostenhofener, es leben da ja nette Leute, die Laune zusätzlich versüßen, wenn der gerade auf dem Weg ins schöne Fürth ist. Selbe Richtung, passt. Eigentlich.

Gut, gilt laut Aufdruck für "eine Fahrt". Aber das ist ja der Clou an der 90-Minuten-Regelung: Wer mal aussteigen mag zwischendurch, kein Problem, er muss nur anschließend weiter in dieselbe Richtung fahren. Also: Nürnberg-Nord, Bierchen in Gostenhof, und dann weiter nach Fürth ist nicht zu beanstanden. Das ist eine Fahrt. Juristisch jedenfalls. Und wo ist dann also das Problem mit der Tasche? Vielleicht ist es tatsächlich besser, das erst Mal schriftlich beantwortet zu bekommen. Es ist so: ",Fahrt' ist so zu verstehen, dass eine Fahrt von einer Person auf ein Fahrziel gemacht werden kann. ,Fahrt' beinhaltet also immer einen Personenbezug/eine Personenidentität."

Juristisch ist die Sache klar - den Fahrgästen aber nicht

Heißt das: Ein Mensch, der zweimal in verschiedene U-Bahnen einsteigt, macht eine Fahrt? Heißt es, sagt die VAG-Sprecherin. Zwei Menschen dagegen könnten grundsätzlich nicht eine Fahrt machen. Und warum schreibt man das nicht einfach auf den Schein? Man überlege das jetzt, sagt die Sprecherin. Juristisch sei die Sache klar. Dass sie Fahrgästen nicht klar ist, respektive sein kann, sei ein Problem. Das merke man jetzt auch.

Juristische Konsequenzen für den Studenten Blotzki? Habe man nicht geprüft. Würde aber so eine nach Blotzkis Vorlage gebastelte Tickettasche in U-Bahnhöfen gefunden, würde man sie umgehend entfernen. Und wenn so ein Täschchen nicht im Bahnhof hinge? Sondern, sagen wir, in einer dieser lustigen Kneipen am U-Bahnhof in Nürnberg-Gostenhof? Schwer zu sagen, sagt die Sprecherin. Mit dem Ticket weiterfahren dürfte man jedenfalls nicht. Also theoretisch.

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Quelle:
SZ vom 14.01.2015
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