Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Zwischen Tränke und Abwasser

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In Nußdorf sind sich rinderhaltende Bauern sicher, dass sie bei den Wassergebühren viel mehr einsparen könnten als bisher. Denn eine Hochleistungskuh säuft gewaltige Mengen

Kolumne von Matthias Köpf

Wenn jemand recht hineinlitert, dann heißt es gleich, er saufe wie ein Pferd. Aber das ist erstens uncharmant, und zweitens gibt es in Nußdorf im Landkreis Traunstein nach Angaben des Statistischen Landesamts ja gar keine Pferde. Vielmehr gibt es dort 2500 Nußdorfer und rund 2000 Rinder. 14 Nußdorfer plus Bürgermeister sind Gemeinderäte und haben sich als solche neulich mit den 2000 Rindern befasst. Eigentlich hätten sie auch über Pferde reden müssen sowie über Schweine und Schafe, die es laut der amtlichen Statistik in Nußdorf aber ebenfalls nicht gibt. Und sämtliche 79 Hühner ergeben miteinander ja nicht einmal 0,25 Großvieheinheiten.

Ein ausgewachsenes Rind hingegen entspricht im Schnitt 1,0 Großvieheinheiten, und zwar schon deswegen, weil eine Großvieheinheit als mittelgroßes Rind von 500 Kilogramm definiert ist. Und für jede solche Großvieheinheit können die Bauern in Nußdorf 15 Kubikmeter von ihren Abwassergebühren absetzen. Denn wie fast überall werden diese Gebühren nach der Frischwassermenge berechnet, die der Kunde bezieht. So eine halbe Tonne von Großvieheinheit erleichtert sich aber nicht auf der Toilette, sondern als Wildbiesler auf der Wiese oder im Stall in die Odelgrube - aber das landet dann ja auch wieder auf Feldern und Wiesen und jedenfalls nicht im Kanal zur Kläranlage. Daher der Rabatt, wie er auch in der Mustersatzung steht, die das Innenministerium den Gemeinden an die Hand gibt. Nur die abzuziehenden Kubikmeter müssen sie selber einsetzen. In Nußdorf steht da bisher "15", doch ein Gemeinderat, er ist übrigens Landwirt, findet laut Traunsteiner Tagblatt nun sinngemäß, dass so eine moderne Hochleistungsmilchkuh nicht nur saufe wie ein Pferd, sondern noch sehr viel mehr, weshalb ein Abzug von 25 Kubikmetern angemessen sei. Doch die Gemeinde hat sich rundum erkundigt und ist auf Werte zwischen zwölf und 20 Kubikmeter gestoßen, und zudem sei ja nicht jedes Großvieh milchmäßig gleich ein Top-Performer. Manche Räte drängten aus Gründlichkeitsgründen auf die Installation von Tränkenwasserzählern, wie es auch der staatlichen Mustersatzung am liebsten wäre. Bis die Sache geklärt ist, wird aber noch ein bisschen Odel die Traun hinunterfließen. Der Gemeinderat hat das Thema vertagt.

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Quelle:
SZ vom 23.05.2019
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