Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Warum sich viele Lkw-Fahrer ins beschauliche Rüdenau verirren

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Zwar ist der Ort im Odenwald durchaus hübsch, es gibt ein Gasthaus und eine Whisky-Destille. Doch das erklärt nicht die hohe Brummi-Dichte.

Kolumne von Olaf Przybilla

Rüdenau ist einer dieser Orte, die man beneiden muss. Die Landschaft ist top. Im Tal mäandert der Main, im Rücken erheben sich Hügel des Odenwalds, da braucht's keinen Urlaub. Auch die Lage ist superb. Um die Ecke liegen Miltenberg, fachwerkschön, und Amorbach, Heiratscity schlechthin. Das Abitur ist bayerisch in Rüdenau, das Getränk hessisch (Abbelwoi), das Lebensgefühl ein Mix aus hessisch, fränkisch, badisch. Nein, da kann man nicht meckern.

Wenn nicht die Sache mit den Lastern wäre. Vor einer Woche war's wieder so weit: Ein Trucker tippte die Postleitzahl 63924 ins Navi, dazu die Adresse "Hauptstraße" und ist dann, wie's vom Gerät befohlen, vom Maintal den Odenwald hochgebollert, mitten hinein in die Gassen von Rüdenau, wo es nicht weitergeht und alle Wendeversuche dazu verdammt sind, als Lachnummer zu enden.

Folge: One night in Rüdenau. Apart, keine Frage. Immerhin gibt's da ein Gasthaus, eine Kirche, eine exzellente Whisky-Destille und 760 grundsätzlich glückliche Rüdenauer. Grundsätzlich deshalb, weil das allmählich nervt mit den Lkw. Vor zwei Wochen fuhr sich einer im Kapellenweg fest. Und überhaupt, sagt Bürgermeister Udo Käsmann, verirrten sich nun fast täglich Trucker im Ort. Endstation Rüdenau.

Die klugen fragen an der Kirche nach, ob das sein kann, auf der Höhe kann man noch wenden. Die anderen - Technikgläubige aus Polen, Litauen, Nordrhein-Westfalen - brechen konsequent durch, bis die Straße endet. Der letzte Gestrandete, er hatte Paniermehl im Laster, kam aus Essen.

Was die alle wollen in Rüdenau? Gar nichts. Unten im Maintal liegt Kleinheubach, flach, zwei Gewerbegebiete, eine "Hauptstraße" und ebenfalls die Postleitzahl 63924. Und mit der Kombination finden Navis offenbar Rüdenau spannender als Kleinheubach. Was man - rein ästhetisch - durchaus nachvollziehen kann.

Lasterfahrer scheinen sich übrigens nur marginal von DHL-Fahrern zu unterscheiden, erzählt der Bürgermeister. Kürzlich hat einer eine Ladung Bauteile und Installationszubehör auf dem Hof einer älteren Dame aus Rüdenau abgeladen und einen Zettel hinterlassen mit der Mitteilung: So, da habt ihr's. Der Bürgermeister hat dann unten im Gewerbegebiet von Kleinheubach angerufen. Da warteten sie schon Stunden auf ihre Ladung.

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Quelle:
SZ vom 19.01.2018
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