Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Tu' Buße, Feierwehrkapell'n!

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Die Altneihauser Feierwehrkapell'n gehört zu den Höhepunkten der "Fastnacht in Franken" - doch heuer haben die Herren derart sexistisch-zotige Verse verzapft, dass sich viele Zuschauer aufregen.

Kolumne von Uwe Ritzer

Eine gute Woche noch, dann ist sie vorbei, die Zeit des organisierten Kostümierens und Schunkelns in enger Kohärenz mit Völlerei, Trunkenheit und anderen Ausschweifungen. Die Fastnacht folgt einem Ur-Bedürfnis des Menschen, nämlich ab und zu richtig aus der Haut zu fahren, vulgo: Die Sau rauszulassen. Ehe er am Aschermittwoch der Derbheit die fromme Askese folgen lässt, in sich geht und für seine Sünden büßt.

So ist der Zeiten Lauf von alters her, dem zu folgen auch der moderne Mensch gut tut. Heuer sei vor allem der Altneihauser Feierwehrkapell'n der Bußgedanke ans Herz gelegt. Es handelt sich bei dieser um eine im Normalfall vergnügliche, satirische Musik-Combo aus der Oberpfalz, deren Auftritt bislang zu den Höhepunkten der "Fastnacht in Franken" gehörte.

Heuer jedoch stürzten sie sich selbst vom Narren-Olymp mit üblen sexistisch-zotigen Versen über Frankreichs Première Dame Brigitte Macron. Es ging dabei wohlgemerkt nicht um Politik, sondern um das Alter und Aussehen einer Frau. Als "geschmacklos", "unterirdisch", "niveau- und würdelos" empfanden viele Zuschauer die Reime, wie im Internet nachzulesen ist. Einer wundert sich nachvollziehbar: "Ihr wart doch mal eine intelligente Truppe..."

Nun wohnt Humor und Witz, in der Fastnacht zumal, auch das Spiel mit dem Tabubruch inne. Und vermutlich wäre die Aufregung nicht so groß, hätten die Altneihauser nach einem kurzen Geschmacksabsturz-Vers sofort wieder zurück über die Gürtellinie gefunden. Haben sie aber nicht; den würdeverletzenden Reimen folgte auch noch ein würdeverletzendes Lied. Nun bedauert der BR die dadurch entstandenen "Irritationen" und Frankens Fastnachtspräsident Bernhard Schlereth, sagt, er entschuldige sich für die "Missverständnisse". Aber es sei nur "ein sehr schmaler Grat zwischen künstlerischer Freiheit und Zensur".

Tatsächlich ist bei aller verständlichen Empörung bedenklich, wie schnell der Ruf nach einem Zensor erhoben wird. Der BR lässt bereits durchblicken, den Fastnachtern künftig besser auf ihr Mundwerk zu schauen. Besser wäre es, alle Beteiligten würden die Fastenzeit zur Einkehr nutzen, damit niemand mehr auf die Idee kommt, solch frauenfeindlichen Unsinn zusammenzureimen.

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Quelle:
SZ vom 06.02.2018
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