Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Tegernseer Roulette

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Der Bürgermeister von Bad Wiessee will die Erträge seiner Spielbank nicht mehr mit den vier anderen Gemeinden am Tegernsee teilen. Sie sollen erst ihren Anteil an den Kosten für den Neubau aus dem Jahr 2005 abstottern. Nun landet der Streit vor Gericht

Glosse von Matthias Köpf

Beim Roulette in Bayerns Spielbanken gilt zwar kein Krawattenzwang mehr, dafür aber die alte Regel: Am Ende gewinnt immer die Bank. Das liegt unter anderem daran, dass der Croupier am Spieltisch nicht einfach die Fünf gerade sein lässt oder aus der roten Eins eine schwarze Zahl macht. Und die Gemeinde Bad Wiessee schlägt sich ja eher mit den roten Zahlen herum. Sie hat Schulden, als ob sie regelmäßig selbst in die Spielbank ginge. Dabei hat sie nur eine neue Spielbank gebaut, im Jahr 2005 für mehr als 27 Millionen Euro. Wegen der abzuzahlenden Kredite lässt Bürgermeister Peter Höß erst recht nicht Fünf gerade sein: Er hat den anderen Kommunen am Tegernsee ihren Anteil an den Erträgen der Spielbank gestrichen. Die ziehen deswegen nun vor Gericht, der Form halber gegen den Freistaat.

Denn der Freistaat kassiert die Differenz aus allen Einsätzen der Spieler und den ausgezahlten Gewinnen. Das waren laut Finanzministerium in Bad Wiessee im Jahr 2014 fast 18,5 Millionen Euro, was im Gegensatz zu manch anderer staatlichen Spielbank sogar noch für Personal und Miete reicht. Der Gemeinde zahlt er eben diese Miete und zudem eine Abgabe von 15 Prozent der Erträge, für 2014 also knapp 2,8 Millionen Euro. Davon haben bis zuletzt auch Tegernsee, Rottach-Egern, Kreuth und Gmund kleinere Anteile abbekommen. Doch seit das Ministerium nachgefragt hat, ob es diese Anteile weiterhin auszahlen soll, will der Wiesseer Bürgermeister das Geld lieber einbehalten, bis die Nachbarn ihren Anteil an den Baukosten abgestottert haben.

Höß sieht sich verpflichtet, das Beste für seine Bürger herauszuholen. Weil das auch für seine Kollegen gilt, flammt nun ein Streit wieder auf, der schon seit dem Bau der ersten Spielbank in den 1950er-Jahren schwelt. Damals hatten sich die fünf Kommunen gemeinsam bemüht, eine Spielbank an den Tegernsee zu bekommen, statt jede für sich womöglich leer auszugehen. Seitdem wird um die Verteilung der Abgabe gerangelt. Da brauche es jetzt endlich Rechtssicherheit, sagt der Tegernseer Bürgermeister Johannes Hagn. Die gibt es nur vor Gericht. Dort gilt erstens immer noch Robenzwang und zweitens eine alte Regel: Wohin die Kugel auch rollt, am Ende gewinnen immer die Anwälte.

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Quelle:
SZ vom 29.02.2016
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