Süddeutsche Zeitung

Landshut:Alles legal in der Drachenburg

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Rumänische Bewohner nutzen laut Behörde aber Möglichkeiten des Sozialstaats aus

Von Andreas Glas, Landshut

Viereinhalb Monate ist es her, da titelte eine Zeitung: "Hier wohnen die Abkassierer aus Rumänien". Neben der Schlagzeile waren Fotos eines schäbigen Landshuter Wohnblocks zu sehen. Etwa 90 Briefkästen hingen dort - obwohl es im Haus nur 77 winzige Apartments gibt. Wer all die Namenschilder auf den Briefkästen zählte, kam auf rund 240 Menschen, auf den Schildern standen vor allem rumänische Namen. Konnte es wirklich sein, dass so viele Menschen auf so engem Raum wohnen? Nein, sagte die Sozialarbeiterin des Viertels und äußerte einen schwerwiegenden Verdacht: Die Menschen, deren Namen auf den Briefkästen stehen, wohnen gar nicht in dem Haus, sondern haben sich dort nur Adressen beschafft, um Hartz-IV-Leistungen zu erschleichen. Nun hat die Arbeitsagentur einen Bericht zu dem Wohnhaus vorgelegt - mit dem Ergebnis, dass sich "keine Anhaltspunkte für einen systematischen Leistungsmissbrauch bei Rumänen ergeben" hätten.

Alles in Ordnung also in dem Haus, das in Landshut alle nur "Drachenburg" nennen? Nicht ganz. Die Landshuter Arbeitsagentur konnte zwar nichts Illegales feststellen, auf Nachfrage räumt Agenturchef Sascha Zirra allerdings ein, dass manche Bewohner oder deren Arbeitgeber den Sozialstaat "bis an die Grenze der gesetzlichen Möglichkeiten ausnutzen". Wer nämlich als EU-Ausländer in die Bundesrepublik kommt, dem reicht bereits ein Arbeitsverhältnis von acht Wochenstunden, um sich das Recht auf Sozialleistungen zu sichern. "Auffällig viele" Drachenburg-Bewohner hätten Arbeitsverträge, in denen exakt acht Wochenstunden vereinbart seien, sagt Zirra. Und weil ein Acht-Stunden-Job nicht für den Lebensunterhalt reicht, bekommen diese Menschen zusätzlich Sozialleistungen. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Sozialbetrug in der Drachenburg, doch die Grenzen des Legalen werden in großem Stil ausgereizt.

Nicht bestätigt hat sich dagegen der Verdacht, die Drachenburg-Bewohner hätten nur Scheinarbeitsverträge. "Die Leistungsempfänger gehen zweifelsfrei einer Beschäftigung nach", heißt es im Arbeitsagentur-Bericht. Auch seien diejenigen, die im Wohnblock gemeldet sind, tatsächlich dort wohnhaft. Künftig, verspricht Agenturchef Zirra, werde man "ein besonderes Auge" auf die Drachenburg haben und noch intensiver versuchen, deren Bewohner "in vollumfängliche Beschäftigung zu kriegen".

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Quelle:
SZ vom 14.09.2016
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