Süddeutsche Zeitung

Konsequenzen aus Fall Mollath:Mehr Rechte für Psychiatrie-Insassen

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Justizministerin Merk will Konsequenzen aus dem Fall Mollath ziehen - und fordert eine externe Begutachtung für Psychiatrie-Insassen nach einem Jahr. Einer der Mollath-Gutachter sieht dagegen die Psychiater als "unschuldige Opfer dieser Geschichte".

Von Olaf Przybilla

Justizministerin Beate Merk (CSU) will Konsequenzen aus dem Fall Gustl Mollath ziehen. In der BR-Sendung "Kontrovers" kündigte sie an, sie werde sich dafür einsetzen, die Unterbringung von Psychiatrie-Insassen künftig besser zu überprüfen. In Zukunft soll innerhalb des ersten Jahres ein externer Gutachter kontrollieren, ob die Unterbringung zu Recht erfolgt ist. Bisher sind Gerichte gehalten, spätestens nach fünf Jahren einen externen Gutachter zu beauftragen.

Merk kündigte eine Stellungnahme zum Fall für diesen Freitag an. Das Bundesverfassungsgericht hatte um eine solche gebeten und eine Frist bis zum 23. Juli gesetzt. Bis dahin muss auch die Bundesanwaltschaft Stellung nehmen. Merk deutete erneut an, wie sie sich äußern werde. Je länger Mollath untergebracht sei, "desto mehr neigt sich selbstverständlich die Balance zu seinen Gunsten". Dies bedeute, "dass dann aus der Verhältnismäßigkeit eine Unverhältnismäßigkeit wird".

Inzwischen hat sich einer der Mollath-Gutachter erstmals länger zum Fall geäußert. Es handelt sich um Hans-Ludwig Kröber, Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie an der Berliner Charité. Er hatte 2008 ein Gutachten über Mollath geschrieben.

Mollath war zunächst einverstanden mit einer Begutachtung durch Kröber gewesen, hatte diese aber an Bedingungen geknüpft. Er wollte seine Krankenakten einsehen, um eventuell dort falsch dargestellte Sachverhalte richtigstellen zu können. Und er wollte rechtzeitig über den Zeitpunkt der Untersuchung informiert werden. Weil beides nicht der Fall war, lehnte er beim Erscheinen Kröbers eine Begutachtung ab. Kröber erstellte das Gutachten daraufhin von Berlin aus, nach Aktenlage. Die wahnhafte Störung Mollaths sah er 2008 als bestätigt an.

Kröber sagte dem Internetportal Telepolis, ihn bedrücke der Fall, weil er glaube, dass sicher "Sachen falsch gelaufen sind" in der Causa, Psychiater nun aber "das unschuldige Opfer dieser Geschichte geworden sind, weil staatliche und juristische Entscheidungen Mollath dorthin gebracht haben, wo er jetzt ist". Psychiater müssten vom Urteil der Justiz ausgehen. Sie könnten nicht sagen: "Vielleicht hat Mollath seine Frau gar nicht gewürgt. Vielleicht ist das alles eine böse Anschuldigung."

Rückfallgefahr deutlich geringer

Auf die Frage, ob heute für die Art von Taten, die Mollath vorgeworfen wurden, überhaupt eine Rückfallgefahr bestehe, antwortete Kröber: 2008 sei die Situation anders gewesen. "Damals war Herr Mollath ein Patient von vielen im Maßregelvollzug." Heute sei er eine "öffentliche Erscheinung". Allein dies führe bei vielen Insassen dazu, dass "sie sich dieser neuen Rolle bewusst werden und der alte Kampf, der alte Streit, den man geführt hat, plötzlich in den Hintergrund tritt und man eine neue, wichtige und sozial lohnende Rolle als Justizopfer hat". In dieser Rolle werde Mollath "mit großer Wahrscheinlichkeit alles vermeiden, was ihn in den Verdacht bringen könnte, doch ein Gewalttäter zu sein".

Kröber sei der Ansicht, die Rückfallgefahr für Mollath sei inzwischen deutlich geringer. Das Problem sei, er kooperiere nicht. "Wenn sich gegenüber dem Einweisungszeitpunkt nichts geändert hat, dann entscheidet die Strafvollstreckungskammer für Fortdauer." Solche Entscheidungen seien bei Mollath "jährlich gefallen".

Unterdessen hat der ehemalige Schöffe Heinz Westenrieder in einem Interview mit dem SWR angegeben, der frühere Mollath-Richter Otto Brixner habe vor der Urteilsberatung selbst von einer möglichen eigenen "Befangenheit" gesprochen.

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SZ vom 05.07.2013
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