Süddeutsche Zeitung

Flugsport:Der Luftmaler

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Die Herzen und Brezen, die Sascha Odermann mit seiner Mü 30 in den Münchner Himmel über der Wiesn gezeichnet hat, sind vielen noch im Gedächtnis. Der Berufspilot bei der Lufthansa verbringt auch seine Freizeit am liebsten im Cockpit.

Von Arnold Zimprich, Königsdorf

Man muss zu dritt sein, um die 300 PS starke und 740 Kilogramm schwere Mü 30 aus dem altehrwürdigen Hangar am Segelflugzentrum Königsdorf auf das Vorfeld zu schieben. Kurz überprüfen, ob der Fallschirm sitzt - und schon schwingt sich Sascha Odermann für das Foto in den Pilotensitz seiner geliebten Mü 30 Schlacro: ein geradezu winziges Flugzeug im Vergleich zum Airbus A350, den der geborene Niedersachse hauptberuflich für die Lufthansa auf Langstrecken fliegt.

Die Verkehrsfliegerei ist der Brotjob des studierten Luft- und Raumfahrttechnikers. Doch auch seine Freizeit verbringt er am liebsten in der Luft. Die Segel- und Kunstfliegerei ist sein Hobby, wobei der Begriff stark untertrieben zu sein scheint, so innig ist Odermanns Beziehung zur Mü 30 Schlacro. Der Beiname des Motorflugzeugs ist ein Akronym aus Schlepp und Acro. Denn die Mü 30 ist eine Kombination aus Schlepp- und Kunstflugzeug. Man kann mit ihr also einerseits Segelflieger hochziehen und andererseits kunstvolle flüchtige Flugfiguren in den Himmel malen, so wie die Herzen und Brezen, die in diesem Jahr zum Oktoberfest über München zu sehen waren. Sie haben Odermann und dem Verein Akaflieg München, der den Schlacro Ende der 1990-er Jahre in Eigeninitiative gebaut hat, eine gewisse Bekanntheit eingebracht.

Die mit kunstvollen Flugfiguren präzise in den Himmel gemalten Wolkenbilder gehören zum Standardrepertoire Odermanns. "Das Herz gehört zu meinen Flugshows", sagt er. Auch dieses Jahr hat er es beim Königsdorfer Flugplatzfest unter dem Jubel der Zuschauer in den oberbayerischen Himmel gezeichnet. Die Oktoberfest-Herzen und -Brezen aber seien eine spontane Idee gewesen, sagt Odermann mit leuchtenden Augen. "Das Wetter und Windbedingungen waren einfach perfekt", berichtet er, "und die Vorfreude auf den Wiesn-Anstich war in der ganzen Stadt zu spüren." Er habe daraufhin Telefonate mit der Deutschen Flugsicherung und Polizei geführt. "Als ich erklärte, was ich vorhabe, waren die auch von meiner Idee begeistert und haben mich sehr unterstützt", erinnert sich der Pilot.

Odermann flog daraufhin extra hoch über die Stadt, um für die Figuren ruhige Luft zu haben. Denn so bleiben die Brezen und Herzen aus weißen Dampf möglichst lange am Himmel erkennbar. Um sie zu malen, spritzt er per Schalter am Steuerknüppel dünnflüssiges medizinisches Paraffin, das auch bei der Herstellung von Cremes verwendet wird, aus einem Tank in die heiße Abluft des Fliegermotors. Dabei bildet sich der weit sichtbare, dichte weiße Dampf, der sich später komplett auflöst, "wie Disconebel", sagt der Pilot. Ist das Herz oder die Breze fertig geflogen, muss Odermann die Paraffin-Zufuhr punktgenau stoppen.

"Das sieht ja richtig gut aus", sei ihm beim Blick aus dem Cockpit nach unten durch den Kopf geschossen, berichtet er von seinem Flug beim Oktoberfest-Anstich. Dass seine Luftmalerei über der Stadt solche Wellen schlägt, hätte er aber nicht gedacht. "Bekannte haben mir begeistert erzählt, dass da jemand Herzen in den Himmel über der Wiesn gemalt hätte", sagt er. "Denen war gar nicht klar, dass ich das war."

Der 47-Jährige ist zufrieden, wenn er mit seiner Luftakrobatik die Menschen unten auf der Erde glücklich machen kann. Das sieht man an seinem Lächeln, wenn er davon erzählt. Odermann bedient den Kaminofen im wohnlich eingerichteten Anbau des Akaflieg-Hangars, bis ein wärmendes Feuer knistert. "Ich liebe den Spirit hier", sagt er. Zwei andere Vereinsmitglieder sind gerade mit einem Motorsegler von einem Wartungsflug nach Linz zurückgekommen, man tauscht sich kurz aus, Odermann bietet Kaffee an und lässt sich in eines der durchgesessenen Sofas sinken.

Die Leidenschaft für das Fliegen hat Sascha Odermann bereits als Kind entdeckt. "Ich hab' schon immer nach oben geguckt", sagt er. Früh schon habe er an eigenen Modellfliegern gebastelt und bei der Modellsportvereinigung Nienhagen in der Nähe von Celle Gleichgesinnte, Teamgeist Unterstützung gefunden. Dass er später als Student der Luft- und Raumfahrttechnik 1997 bei der Akaflieg München im Königsdorfer Segelflugzentrum landete, wundert wenig - schließlich bietet die "flugtechnische Forschungsgruppe für Münchner Studierende", wie sie auf der Website des Vereins heißt, dort den perfekten Nährboden für Flugbegeisterte. "Konstruieren, bauen, fliegen" lautet das Motto des Vereins, Odermann hatte bereits nach einem Jahr Mitgliedschaft den Segelflugschein in der Tasche.

Auf sein Talent als Luftmaler habe ihn der Königsdorfer Getränkehändler Markus Orterer aufmerksam gemacht, erinnert sich Odermann. Nachdem er über dem Segelflugzentrum Flugfiguren geübt habe, habe Orterer gesagt: "Jetzt in der Mitte noch einen Stern, und du hast einen Mercedes-Benz." An den olympischen Ringen habe er auch schon geübt, sagt der 47-Jährige. Seine Luftmalereien könnten also noch vielerorts am Himmel auftauchen.

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