Süddeutsche Zeitung

Klischees über Bayern:Brünftig, griabig, jodelnd

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Zwei Maß Bier zum Frühstück, dann wildern, raufen und fensterln. Das ist das Bayernbild der meisten Menschen, wie jetzt eine Ausstellung zeigt. Das Klischee vom wild bieselnden Naturvolk ist halt auch zu schön - vor allem für die Tourismus-Branche.

Von Hans Kratzer

Nur wenige Regionen dieser Erde werden von ähnlich wilden Vorstellungen geprägt wie das südliche Bayern. Hier saufen kernige Burschen zum Frühstück zwei Maß Bier, hauen dann zum Wildern ab, um nach der Rückkehr im Biergarten zu raufen und sich beim Fensterln zu entspannen. Dieser von Heimatfilmen und TV-Krimis seit Jahrzehnten verbreitete Monsterkitsch hält sich so hartnäckig, weil er für die Vermarktung des Landes nach wie vor nützlich ist. Das Bayernbild, das viele Menschen im Kopf haben, ist lediglich eine Erfindung zur Förderung des Tourismus.

"In keiner anderen Region in Deutschland gibt es ein derart typisiertes Bild der Menschen und ihrer Mentalität wie in Oberbayern", sagt Andreas Koll vom Münchner Stadtmuseum, der zu diesem Thema eine aufschlussreiche Ausstellung konzipiert hat, die zurzeit im Bauernhofmuseum Amerang zu sehen ist. Vor allem zeigt sie auf, wie sich das gängige Bayernbild zwischen 1880 und 1930 herausgeprägt hat.

"Der Zoo im Süden mit diesem haferlbeschuhten, goaßlschnalzenden, immer brünftig-griabigen, jodelnden, wild umanander bieselnden Naturvolk ist halt auch gar zu schön", umschrieb einst der Kabarettist Bruno Jonas dieses Stereotyp, das die halbe Welt verinnerlicht zu haben scheint. In der trotz der Bombastik des Themas erstaunlich kompakten Ausstellung kann der Besucher schlüssig nachvollziehen, wie komplex die Entwicklung verlaufen ist.

Die Dummen auf dem Land

Der stärkste Motor des Bayernbilds waren die gesellschaftlichen Umwälzungen am Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert. Die Einwohnerzahl Münchens schoss damals durch den massenhaften Zuzug aus Niederbayern und der Oberpfalz von 170.000 (1870) auf 640.000 (1913) nach oben. Mit den Neubürgern wuchs auch die Zahl der Vergnügungsstätten. Varietés und Volkssänger begeisterten Zehntausende, wobei die Dummen und Gscherten vom Land oft als Opfer des Spotts herhalten mussten. Das Motiv des dummen Seppls, das jetzt allgegenwärtig war, hatten ja schon die Aufklärer in die Welt gesetzt. Gleichzeitig suchte die Stadtbevölkerung aber Erholung im Voralpenland und im Gebirge.

In München war das Leben hektisch und anonym geworden, die ländliche Ruhe wurde jetzt als hohes Gut geschätzt. "Jeder Milchmann geht aufs Land", schrieb der Reiseschriftsteller Ludwig Steub (1812-88), "selbst die abgelegensten Berghöfe werden aufgesucht, um arkadisch zu leben." Die Menschen in den Gebirgsdörfern entdeckten den Fremdenverkehr als einträgliches Geschäft. Die Städter wiederum begeisterten sich für die recht geschickt vermarkteten Lieder, Tänze und sonstige Darbietungen der Alpenwelt. Das Berliner Kaufhaus Wertheim unterhielt bereits vor 1900 eine bayerische Trachtenabteilung, damit sich die Touristen dort schon vor der Abreise ausstatten konnten.

Nun tobte der Bayerntrubel weltweit. Das Schlierseer Bauerntheater gab bis zum Jahre 1910 gut 5000 Gastspiele in aller Welt und prägte das Bayernbild nachhaltig. Der Folklorismus wurde zum Exportschlager, jedoch um den Preis, dass damit auch die Sepplklischees verbreitet wurden, die umhüllt waren von kracherter Genussfreude und almerischer Erotik. Auch die spätere volkstümliche Unterhaltung hat das alles begierig aufgegriffen und weitertransportiert.

Die Tourismuswerbung bedient sich bis heute der einschlägigen, von weiß-blauem Himmel, Schuhplattlern und Blasmusik gesättigten Bilder. Auch das Bayerische Fernsehen sowie die Klamaukburschen des Kabaretts leben gut davon, unbeirrt von der Tatsache, dass die Menschen, die sich daheim darüber bucklig lachen, in der Fremde wie eh und je als Seppln verlacht werden.

Bauernhausmuseum Amerang, Strizzis, Lackln, Goaßlschnalzer - Bayernbilder und volkstümliche Unterhaltung, bis 3. November, Di-So 9-18 Uhr.

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SZ vom 05.09.2013
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