Süddeutsche Zeitung

Abtei Münsterschwarzach:Mönch gewährt Kirchenasyl - und muss vor Gericht

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Bruder Abraham Sauer nimmt einen Flüchtling in der Missionsbenediktiner-Abtei Münsterschwarzach auf. Der Vorwurf gegen den Kellermeister lautet Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt.

Von Dietrich Mittler, München

Die Bedingungen, unter denen in Bayern Kirchenasyl gewährt werden kann, sind härter geworden. Dies bekommt nach Mutter Mechthild Thürmer, der Äbtissin des Konvents Maria Frieden im oberfränkischen Kirchschletten, nun auch der Kellermeister der Missionsbenediktiner-Abtei Münsterschwarzach im unterfränkischen Landkreis Kitzingen zu spüren. Während die Äbtissin nach vielen Monaten noch immer nicht weiß, wann ihr Verfahren ansteht, hat das Amtsgericht Kitzingen die Hauptverhandlung gegen den Ordensbruder noch vor Monatsende anberaumt. Am Montag, 26. April, muss Bruder Abraham Sauer demnach dem Gericht Rede und Antwort stehen, aus welchen Motiven heraus er einen abgelehnten Asylbewerber im August 2020 ins Kirchenasyl aufgenommen hat.

Ob der Termin zu halten ist, ist derzeit noch nicht absehbar, da die Mönchsgemeinschaft aufgrund positiver Corona-Fälle augenblicklich in Quarantäne ist. Bruder Abraham will sich vorläufig zur Sache nicht öffentlich äußern, wie die Pressesprecherin der Abtei Münsterschwarzach wissen lässt. Die Anklage gegen ihn lautet auf Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt ohne erforderlichen Aufenthaltstitel. Einen Strafbefehl, mit dem die Staatsanwaltschaft den Fall ahnden wollte, war von der zuständigen Richterin nicht unterschrieben worden. Damit kommt es, so Sauers Münchner Rechtsanwalt Franz Bethäuser, zum Gerichtsverfahren.

Bethäuser, der auch die Äbtissin von Maria Frieden vertritt, hat in einer ersten Stellungnahme auf die durch das Grundgesetz garantierte "Religions- und Gewissensfreiheit" hingewiesen, die nicht nur die innere Überzeugung seines Mandanten, sondern auch "eine nach außen gerichtete religiöse Betätigung" schütze - hier also konkret die Gewährung von Kirchenasyl. Zudem aber gelte, dass dem mittlerweile 25-jährigen im Gazastreifen geborenen Asylsuchenden, der in der Abtei Münsterschwarzach Aufnahme fand, mit dem Verbleiben im sogenannten Kirchenasyl eigentlich eine Duldung "zu erteilen gewesen wäre". Sprich: die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung.

Rein rechtlich, so argumentiert Bethäuser, sei es "schlicht nicht möglich", einen ausreisepflichtigen Ausländer zwar nicht abzuschieben, "ihm andererseits aber kein Papier auszuhändigen", das zumindest seinen vorläufigen Aufenthalt legalisiert. Der Münchner Anwalt geht sogar so weit zu sagen: "Andernfalls würde sich nicht nur der Ausländer strafbar machen, sondern unter anderem auch der Mitarbeiter der Behörde, der dies verweigert" - und zwar "wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt".

Genau das wird nun aber Bruder Abraham Sauer zur Last gelegt. Die Strategie seines Anwalts stützt sich darauf, dass Kirchenasyle in Bayern praktisch nie durch Vollzugsmaßnahmen der Polizei beendet werden. In diesem Sinne hatte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bereits Ende März 2014 auf eine Landtagsanfrage geantwortet. Und so hatte es auch der frühere bayerische Ministerpräsident und jetzige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im August 2017 sinngemäß bestätigt: Es sei auf Verhandlungslösungen zu setzen. Lange Zeit hatte sich die Strafverfolgung in solchen Fällen auf die Asylbewerber konzentriert, die ins Kirchenasyl gegangen waren. Mittlerweile werden aber auch die Geistlichen beider großen Kirchen sowie Ordensleute zur Rechenschaft gezogen, die Flüchtlinge bei sich aufnehmen.

Aus Sicht des Justizministeriums ist die Sache klar: Das Kirchenasyl als solches sei zwar "Ausdruck eines humanitären Engagements der Kirchen für geflüchtete Menschen". Aber: "Auch ein von ehrenwerten Motiven getragenes Engagement muss sich in einem Rechtsstaat an geltendes Recht halten", wie das Ministerium bereits im vergangenen Juli kundtat. Wie ein Sprecher des Ministeriums am Donnerstag auf Nachfrage erklärte, wurden 2020 in Bayern 27 derartige Verfahren neu eingeleitet. "Die Anzahl der aktuell anhängigen Verfahren kann aus den vorliegenden statistischen Angaben jedoch nicht abgeleitet werden", hieß es.

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SZ vom 09.04.2021
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