Süddeutsche Zeitung

Katholische Kirche:Weihe zum Diakon trotz KZ-Witzen und Hitler-Imitation

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Von Matthias Drobinski, München

Viereinhalb Minuten dauert das Statement des Eichstätter Bischofs Gregor Maria Hanke. "Antisemitismus und Rechtsradikalismus haben in der katholischen Kirche nichts zu suchen", stellt er gleich klar. So sei es nur konsequent gewesen, jenen angehenden Priester aus dem Würzburger Seminar zu entfernen, der vor vier Jahren diesem Seminar unschöne Schlagzeilen brachte, weil er Witze über den Judenmord machte und Adolf Hitler imitierte. Aber: Der Mann habe sich gewandelt, und es müsse ja auch "ein Anliegen der Kirche sein, dass Menschen sich verändern", sagt der Bischof. Und: "Die Aufarbeitung braucht Gerechtigkeit. Aber die Veränderung von Menschen braucht auch Barmherzigkeit. Barmherzigkeit verändert am meisten."

Kurz: Eichstätts Bischof Hanke wird an diesem Samstag um 9 Uhr in der Schutzengelkirche jenen Priesterseminaristen zum Diakon weihen, den sein Amtsbruder, der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, vor vier Jahren mit einigem Schimpf gefeuert hat. Der Diakonenweihe folgt in der Regel die Priesterweihe. Ist das in Ordnung, weil der junge Mann sich gewandelt hat? Oder wird hier vorschnell jemand zur Weihe zugelassen, weil die katholische Kirche dringend Priester braucht und nicht so genau hinschaut, wen sie da weiht? Diese Sorge hat zum Beispiel Josef Schuster, der in Würzburg lebende Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Nach dem Essen bestellten sie einen "Neger zum Abräumen"

Die Vorfälle im Würzburger Priesterseminar, die 2013 öffentlich wurden, sind jedenfalls nicht als Dummejungenstreiche abzutun. Eine Untersuchungskommission kam damals zu dem Ergebnis, der jetzige Eichstätter Weihekandidat habe im Zimmer eines Mitseminaristen "mindestens drei KZ-Witze zur Unterhaltung" erzählt, "womit die fabrikmäßige Ermordung unzähliger jüdischer Kinder, Frauen und Männer im Dritten Reich zum Gegenstand von Spott und Hohn gemacht wurde".

Mit einem weiteren Seminaristen habe er im Bierkeller des Seminars Adolf Hitler imitiert, "wobei mindestens einmal der Hitlergruß gezeigt wurde". Der andere Hitler-Imitator besuchte ein Konzert der Gruppe Frei.Wild, deren Texte als rechtsradikal kritisiert werden. Beim Mittagstisch wurde nach einem "Neger zum Abräumen" gerufen. Bei der Vorstellung des Untersuchungsberichts sagte der Bamberger Erzbischof Schick: "Der Student aus dem Erzbistum Bamberg kann nicht Priesteramtskandidat sein. Das ist ihm mitgeteilt worden."

Der Mann sei nicht mehr derselbe wie damals, sagt nun Hanke, er habe "sich distanziert" und wolle "kein Antisemit, kein Neonazi sein". Das Bistum führt zum Beleg eine Therapie und mehrere Praktika an, bei denen es nur positive Zeugnisse gegeben habe. Vor allem aber habe der Kandidat "seine private Wohnung eine Zeit lang mit einem Flüchtling geteilt" und auch Deutschunterricht gegeben, sagt Hanke. Gerade "aufgrund der persönlichen Anstrengungen des Kandidaten" sei er zu der Überzeugung gekommen, "dass ich ihn zur Weihe zulassen kann".

Bei Zentralratspräsidenten Schuster hat das jedoch die "tiefen Zweifel an der Eignung des jungen Mannes für das Priesteramt" nicht ausgeräumt. "Gerade auf die Fragen, ob er Reue gezeigt habe, hat Bischof Hanke nur sehr zögerlich reagiert" erklärt er. Dass "die Kirche ihm einen Persilschein ausstellt, ist inakzeptabel und belastet erheblich unser Verhältnis zur katholischen Kirche". Schuster steht mit seiner Skepsis nicht alleine da. Der Vorsitzende des Untersuchungsgremiums von 2013, der pensionierte Richter Norbert Baumann, sagte der Katholischen Nachrichtenagentur, er könne die Entscheidung nicht nachvollziehen. Die Kommission habe damals nicht nur Fehlverhalten, sondern eine Fehleinstellung festgestellt; er sehe bislang keine Belege für einen grundlegenden Einstellungswandel.

Auffällig auch: Erzbischof Schick springt Bischof Hanke nicht zur Seite, sondern schweigt. "Wir weihen doch keine Heiligen", hat Bischof Hanke gesagt, "sondern Menschen, die sich weiterentwickeln und reifen." Die Reifung des künftigen Diakons wird unter besonderer Beobachtung geschehen.

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SZ vom 22.06.2017
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