Süddeutsche Zeitung

Mitten in Ingolstadt:Kaninchen im Park sollen "artgerecht getötet" werden

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Im Ingolstädter Klenzepark haben Kaninchen die Macht übernommen. Mehr als 1000 leben dort auf gerade mal 20 Hektar. Aber ob der Aufstand der Tiere länger anhält, ist fraglich.

Kolumne von Thomas Stöppler

Kleintiere sind meistens Opfer. Jedenfalls medial. Sie werden überfahren, ertränkt oder ausgesetzt, von Hunden gerissen, von Landmaschinen verstümmelt und von fiesen Einzelgängern vergiftet. Wer so oft Opfer ist, der muss eines Tages zum Täter werden. Er muss sich wehren - schon aus Gründen der Selbsterhaltung.

Vielleicht haben sich das die Wildkaninchen im Ingolstädter Klenzepark gedacht. Vielleicht haben sie auch gar nichts gedacht, sondern sie hatten in ihrer Not gar keine Wahl. Mehr als 1000 Stück leben dort auf gerade mal 20 Hektar. Der menschlich-kapitalistische Unterdrückungsapparat hat die armen Tiere gezwungen, auf so engem Raum zu leben, dass nun der Rubikon respektive die Donau überschritten wurde. Wer jetzt glaubt, dass reichlich Kinder sich dort versammeln, um das von Eltern liebevoll geschnitzte Gemüse aus der Brotzeitdose an die Tiere zu verteilen, der hat sich geirrt. Kinder sollten den Ort eher meiden, genau wie Erwachsene. Denn es besteht Gefahr für Leib und Leben.

Nicht weil verrückte Experimente Monty Pythons Vision vom Killer-Kaninchen Wirklichkeit haben werden lassen, sondern weil die Tiere Wurzelwerk und Klettergerüste unterhöhlt haben und jetzt Bäume und Metallgestelle nicht mehr sicher sind. Frei nach dem Motto: "Alle Bäume fallen um, wenn dein starker Arm es will." Zugegeben, am Reim muss noch gearbeitet werden. Aber keine Revolution beginnt mit Folklore.

Bis jetzt konnten sich die Tiere auch gegen diverse Versuche erwehren, sie zu vertreiben. Aber nun packt die Stadt als verlängerter Arm von Kindern, Rentnern und anderen sich nach Naherholung sehnenden Unterdrückern die harten Bandagen aus: Es werden Frettchen-Freikorps auf die Kaninchen losgelassen. Die treiben die Kaninchen aus ihren Bauten und dann werden sie gefangen und "artgerecht getötet". Die Kadaver werden zur Ausbildung von weiteren Unterdrückungstieren (Jagdhunden) verwendet. Es ist vielleicht das Schicksal von bayerischen Revolutionen, dass von ihnen eher Folklore bleibt als dauerhafte Umstürze. Aber das wäre ja auch schon was. Hoffentlich haben die Ingolstädter Wildkaninchen noch genug Zeit für das ein oder andere Gstanzl.

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