Süddeutsche Zeitung

Neue Heimat:Beim bayerischen Käse ist Obacht geboten

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Denn nur, weil er appetitlich aussieht, muss er noch lange nicht schmecken, hat unsere Autorin aus Uganda festgestellt.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Der Cheeseburger ist immer ein wichtiger Bestandteil meines Lebens gewesen. Ein steter Begleiter und Anlass, in den Genuss von Käse zu kommen. Wenn ich heute ein Foto einer köstlich gebratenes Rindfleischscheibe auf einem weichen Brötchen, mit Zwiebeln, Salat und einer leuchtenden orangen Scheibe Käse poste, bekommt es viele Likes aus meiner früheren Heimat Uganda. Der Käse liegt dann zwischen der Fleischscheibe und dem oberen Brötchen, er fungiert quasi als Trennwand zwischen Schale und Kern. Und wenn er schmilzt, sieht man ihn kaum mehr.

Wo ich herkomme, war Käse immer nur Burger-Beiwerk. In Bayern genießt er da schon deutlich mehr Beachtung. Die Bayern essen Käse wie Kühe Heu. Vielleicht ist das der Grund, warum viele hier so groß gewachsen sind. Die Vielfalt der Aromen, Geschmacksrichtungen und Texturen der bayerischen Käselandschaft ist enorm. In jeder Ecke des Landes gibt es Eigenkreationen. Käse ist nicht nur Essen, es ist wie ein eigenes Planetensystem. In riesigen runden Scheiben kommen sie aus den Lagerhallen gerollt. Manche duften, anderen stinken. Und eines haben sie alle gemeinsam: Sie kreisen um ihren Sonnenkönig: den Obazdn.

Klar, jeder Mensch hat seine eigenen Gewohnheiten. Ich verzichte zum Beispiel gerne aufs Frühstück. In Bayern kommt das einer Todsünde gleich. Hier gehört das Frühstück zum Tag genauso wie der Käse zum Frühstück. Käse, oh glorreicher Käse! Der Obazde muss mit Brezn verzehrt werden, Käsescheiben darf man andererseits mit Schinken und verschiedenen Brotvarianten paaren. Die Hardliner hingegen schwören auf das pure Geschmackserlebnis.

Die Reinheit des meist gelben, manchmal weißen und ab und zu dunkel gefärbten Kerninhalts. Die sichtbaren Unterschiede sind fast immer spürbar. Allerdings sind sie auch trügerisch. Nur weil ein bayerischer Käse appetitlich aussieht, muss er nämlich noch lange nicht schmecken. Ein sicherer Indikator ist das Aroma, besonders wenn man es schon von weitem wahrnimmt. Ein Käse, der übel riecht oder einfach fürchterlich stinkt, der schmeckt meistens auch so.

Bei einem Spaziergang über den Münchner Viktualienmarkt kann man den Geruch erleben. Es gibt dort haufenweise Käsesorten. Ihre Hersteller sind wie Künstler. Sie produzieren Hartkäse, Schnittkäse, halbfesten Käse, Weichkäse und Frischkäse. Wobei Frischkäse ein schwieriger Begriff ist. Sind dann alle anderen Käsesorten im Regal ranzige Ausschussware? Eher nicht. Man sieht dem Käse oft auch die Liebe der Menschen zu ihrem Produkt an. Vom Allgäuer Emmentaler, fränkischen Hartkäse oder oberbayerischen Bergkäse mit seinem milden, nussigen Geschmack.

Schon erstaunlich das alles. Rückblickend muss ich feststellen, dass ich in Uganda nie wirklich Käse verzehrt habe. Zumindest keinen, den sie auf dem Viktualienmarkt als solchen bezeichnen würden. In Bayern gibt es für jeden Geschmack und Bedarf eine eigene Kreation. Sogar "Light-Käse" mit weniger Fett und reduzierten Kalorien, um den modernen Ernährungsgewohnheiten vieler Münchner Frauen gerecht zu werden.

Das verstehe ich nicht, wo die Liebe für Käse hier sonst fast so groß ist wie zu schönen Autos. Wer Light-Käse isst, der fährt wahrscheinlich auch eine Rostlaube. Dann lieber einen ugandischen Cheeseburger oder eine bayerische Brezn mit Obazdm, luftig, aber keinesfalls light.

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Quelle:
SZ vom 15.06.2018
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