Süddeutsche Zeitung

Innere Sicherheit:Gefährder-Gesetz stößt auf Kritik

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Experten halten den Entwurf für verfassungsrechtlich problematisch

Die Pläne der Staatsregierung, gefährliche Personen besser überwachen zu können, stoßen bei Fachleuten auf massive Kritik. Das geht aus mehreren Stellungnahmen hervor, die der SZ vorliegen und an diesem Mittwoch bei einer Expertenanhörung im Landtag vorgetragen werden. Der Gesetzentwurf aus dem Innenministerium sieht vor, Gefährder auch dann intensiv zu überwachen, wenn sich noch keine Straftaten nachweisen lassen. Mit Zustimmung eines Richters sollen sie bei einer "drohenden Gefahr" unbefristet in Gewahrsam genommen werden können. Außerdem sollen mögliche Terroristen und Extremisten mit einer elektronischen Fußfessel überwacht werden können.

Kritik kommt aus der Justiz: Der Gesetzentwurf führe "zu einer erheblichen Ausweitung polizeilicher Befugnisse", schreibt Markus Löffelmann, Richter am Landgericht München. Damit würde die "Vernachrichtendienstlichung der Polizei" fortgesetzt. Löffelmann befürchtet "verfassungsrechtlich in hohem Maße bedenkliche Ausweitungen". So solle die Polizei "aus eigener Machtvollkommenheit bis zu sechsmonatige Kontaktverbote, Aufenthaltsverbote und Aufenthaltsgebote auch gegen Nicht-Störer anordnen dürfen". Das sei ein Eingriff in das Freiheitsgrundrecht.

Hartmut Wächtler von der Rechtsanwaltskammer München kritisiert eine Diskrepanz zwischen Absichten und Wortlaut des Entwurfs. Er ziele einerseits auf eine nationale oder internationale Gefährdung durch Terrorismus und Extremismus ab. Der neue Begriff der "drohenden Gefahr" könne andererseits aber bereits bei geringeren Verdachtsmomenten gegen Bürger angewendet werden. Zufrieden zeigt sich hingegen der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri. Nach "konstruktiven Gesprächen" mit dem Innenministerium könne er seine ursprünglichen Bedenken "im Grundsatz zurückstellen".

Katharina Schulze, Fraktionschefin der Grünen im Landtag, sagt: "Wir sehen den Gesetzentwurf unter verfassungsrechtlichen, aber auch unter polizeipraktischen Gesichtspunkten sehr kritisch." So habe das Innenministerium auf eine Anfrage Schulzes eingeräumt, dass eine elektronische Fußfessel zwar "einen wertvollen Beitrag für mehr Sicherheit" leiste, aber "naturgemäß keinen absoluten Schutz vor weiteren Straftaten (...) und vor einem terroristischen Übergriff eines extremistischen Straftäters" biete. Ein Ministeriumssprecher nannte den Entwurf "ausgewogen", er entspreche den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die neuen, dringend nötigen polizeilichen Befugnisse seien vereinbar mit dem Schutz der Grundrechte und den Anforderungen des Datenschutzes.

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Quelle:
SZ vom 17.05.2017 / wiw
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