Süddeutsche Zeitung

Ignaz Kögler:Bürokrat mit Wurzeln im Glauben

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Von Hans Holzhaider

Wir wüssten nicht sehr viel über das Leben des China-Missionars Ignaz Kögler, wenn nicht der Fernsehjournalist Christian Stücken seine Doktorarbeit über den Jesuiten aus Landsberg am Lech geschrieben hätte. Für die Arbeit über Kögler musste Stücken Dutzende von Archiven durchforsten: Vom Archivum Romanum Societatis Jesu in Rom über die Biblioteca Apostolica im Vatikan, das Archiv der Propaganda Fide, der vatikanischen Zentralbehörde für die Mission, die Bibliothèque de l'Observatoire in Paris, bis hin zum Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München. Er las und übersetzte Hunderte von Briefen, die von den China-Missionaren im Lauf der Jahrzehnte, meist in lateinischer Sprache, geschrieben wurden.

Von Ignaz Kögler sind 135 Briefe erhalten, die meisten davon an seinen Ordensgeneral Tamburini in Rom und seine Brüder Andreas und Kilian in Landsberg. Aus seinen Briefen entsteht das Bild eines Mannes, der sehr unter den theologischen Auseinandersetzungen seiner Zeit litt, sich aber hütete, allzu deutliche Positionen zu beziehen - zweifellos ein Grund dafür, dass er sich so lange die Wertschätzung sowohl seiner Ordensoberen als auch des chinesischen Kaiserhofes erhalten konnte. Insgeheim hegte er wohl, insbesondere als Wissenschaftler, eher aufgeklärte Anschauungen. Während das kopernikanische System, das die Erde aus dem Mittelpunkt der Welt gerückt hatte, in Rom noch als Ketzerei galt, richtete er sich in seiner praktischen Arbeit als Astronom längst nach den Erkenntnissen Kopernikus' und Galileis.

Auch nach dem Studium der vielen Briefe, die von Kögler erhalten sind, kommt sein Biograph Christian Stücken zu dem Ergebnis: "Vieles seiner inneren Lebenswirklichkeit bleibt verborgen. Seine Persönlichkeit war gewiss stark von der Beziehung zu Gott geprägt, aber tiefe Einblicke sind selten in Köglers Leben. Er war ein Bürokrat, der die Sterne mit der gleichen Sorgfalt verwaltete, mit der er sich um das Seelenheil seiner Christen kümmerte - ganz ein Mandarin des Himmels."

Der Stadtplan von Peking wurde 1900 von preußischen Militärs gezeichnet, die Kaiser Wilhelm II. zur Niederschlagung des Boxeraufstandes nach China entsandt hatte.

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Quelle:
SZ vom 31.10.2016
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