Süddeutsche Zeitung

Stettfeld:Verhexte Holzrechte

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Es ist von Haus aus kompliziert, wer warum Holz aus den Wäldern holen darf. Wenn dann auch noch vor Gericht darum gestritten wird, hilft nur noch der Griff zu Ottfried Preußlers "Kleine Hexe".

Glosse von Olaf Przybilla

Gäbe es die historischen Holzrechte nicht, man müsste sie glatt erfinden. Rein rechtlich steigt man zwar selbst mit juristischem Staatsexamen nicht sogleich durch bei der Frage, wer heute noch nach alter Väter Sitte Rechte auf etliche Ster Holz aus dem Gemeindewald für sich beanspruchen darf. Philosophisch aber ist der Streit ums Holz stets ein Gewinn. In Stettfeld etwa trieb der Zoff um die Rechte am edlen Franken-Mischwald ein Dorf fast in die Agonie. Man konnte nicht anders, als fasziniert zu sein. Hier jene, die sagen: Das Recht am Holz ist seit Julius Echters Zeiten verbürgt, wir Rechtler weichen keinen Schritt zurück! Dort jene, die nur den Kopf schütteln ob einer exklusiven Dorfclique, die für sich Rechte beansprucht, auf die kein Zugezogener je pochen würde - dörfliche Zweiklassengesellschaft!

Der Fall landete vor dem Würzburger Verwaltungsgericht, wo sich der Chef höchstselbst um Streitsachen rund ums Holz kümmert - wann darf man schon mal solche Leckerbissen entscheiden? Gerichtspräsident Rudolf Emmert ist einer, der sich bis an die historische Graswurzel einarbeitet ins örtliche Holzrecht, dann aber Urteile präsentiert, die möglichst jeder verstehen soll. Und so hat er jüngst allen Ernstes zu Otfried Preußlers "Kleiner Hexe" gegriffen, um in einer anderen Holz-Causa dem Bürgermeister von Waldbrunn klar zu machen, warum eine zugezogene Dorfbewohnerin sehr wohl Anspruch auf ihren Anteil am Holz hat.

Im Kern ist es so in Waldbrunn: Seit "unvordenklicher Zeit" haben Grundstücksbesitzer auf dem Gebiet eines früheren Klosters Rechte auf den Bezug von Holz. Der notarielle Vertrag stammt von 1867; 1979 aber hat der Gemeinderat ergänzt, dass Holz nur der bekomme, der dort wohnt und - Achtung - verheiratet ist. Das ist die Dame, die vor Gericht zog, nicht. Der Ort verweigerte ihr das Holz. Richter Emmert kommt freilich zu dem Schluss, dass "Ledige genauso frieren wie Verheiratete". Waldbrunn muss also liefern, auch an eine ledige Frau. Und die "Kleine Hexe"? Die verhext einen Förster, der Damen das Holzsammeln verbieten will, auf eine Weise, dass er das Einsammeln nicht nur wider Willen erlaubt, sondern das Holz noch "hackt, bündelt, aufstapelt". Das immerhin bleibt dem Bürgermeister von Waldbrunn erspart.

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Quelle:
SZ vom 23.11.2018
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