Süddeutsche Zeitung

Historie:Stätten der Reformation

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Eine virtuelle Karte zeigt, wie Luthers religiöse Bewegung in Bayern Fuß gefasst hat

Von Hans Kratzer, München

Egal, ob sie Ludwig II., Napoleon oder das Bier beleuchteten, die zuletzt im Freistaat gefeierten Gedenkjahre und Landesausstellungen waren von zutiefst bayerischen Besonderheiten geprägt. Das nächste Jubiläumsjahr 2017 wird erinnerungstechnisch ganz im Zeichen der Reformation stehen. Vor 500 Jahren soll der Augustinermönch Martin Luther an der Schlosskirche in Wittenberg seine 95 Thesen angeschlagen haben. Ohne Zweifel ein Ereignis von welthistorischer Dimension.

Die Zeit der Reformation wird deshalb auch in der nächsten bayerischen Landesausstellung in Coburg thematisiert werden. Allerdings fragt man sich: Was hat Bayern mit der Reformation zu tun, die ja vor allem in Mitteldeutschland ihren Ursprung fand, während Bayern eher als das Kernland der Gegenreformation in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Man sollte sich aber nicht täuschen.

Die von Luther ausgehende religiöse Bewegung hat sehr schnell auch Bayern erreicht. Gerne wird übersehen, dass auf dem Gebiet des heutigen Freistaats zentrale Schauplätze der Reformationsgeschichte zu finden sind. "Am Standort Bayern lassen sich die großen Auseinandersetzungen in der Zeit des Übergangs vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit beispielhaft abbilden", sagte Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) am Montag, als er in seinem Ministerium eine virtuelle historische Karte zur Reformation und Gegenreformation in Bayern vorstellte. Als Dreingabe servierte er außerdem ein Faltblatt, in dem die vielen Veranstaltungen zum Reformationsjubiläum 2017 in Bayern bündig zusammengefasst sind.

Damit liegen zwei höchst willkommene Hilfsmittel für all jene auf dem Tisch, denen das Reformationsjahr 2017 nicht völlig gleichgültig ist. Überdies bieten sie interessante Anreize, den Freistaat einmal von ganz ungewohnten Seiten her kennenzulernen. Schon jetzt kann man sich durch die inhaltsreiche historische Karte klicken, die über die Homepage des Kultusministeriums zu erreichen ist (www.km.bayern.de/reformation). Nach einem Mausklick auf einen beliebigen Regierungsbezirk öffnen sich Zugänge zu wichtigen Orten der Reformation. Über das niederbayerische Ortenburg ist beispielsweise zu lesen: "Anlässlich eines Gottesdiensts in der Schlosskapelle auf Neu-Ortenburg Bekenntnis Graf Joachims von Ortenburg zur Reformation, am 17. Oktober 1563 erster öffentlicher evangelischer Gottesdienst in der Marktkirche - damit Einführung der Reformation durch Graf Joachim von Ortenburg in der reichsunmittelbaren Grafschaft Ortenburg; Ende 1563 bis Mai 1564 Konflikt zwischen Herzog Albrecht V. von Bayern und Graf Joachim von Ortenburg.

Besetzung Ortenburgs und der anderen Besitzungen der Grafen von Ortenburg." Reformation war also kein Vergnügen, werden Schulkinder vielleicht resümieren. Die Online-Karte kann auch im Schulunterricht mit Gewinn genutzt werden.

Aus politischer Sicht ist erwähnenswert, dass die Reformation in Deutschland in vier nationalen Sonderausstellungen gewürdigt wird, die sich alle auf Mitteldeutschland konzentrieren. Bayern war in dem Konzept nicht vorgesehen, was durchaus Irritationen ausgelöst hat. "Immerhin haben wir Orte, die genuiner Teil der Reformationsgeschichte sind", sagte Spaenle. Als Beispiele nannte er Augsburg, Coburg, Nürnberg, Ingolstadt und Würzburg.

Tatsächlich ist Luther 1518 in Augsburg durch Kardinal Cajetan verhört worden. Außerdem wurde dort beim Reichstag 1530 die Confessio Augustana verlesen, und 1555 wurde auch ein zumindest vorläufiger Religionsfrieden verkündet. In Nürnberg wurde 1525 unter dem Einfluss von Andreas Osiander und dem Nürnberger Rat die Reformation übernommen - es war die erste deutsche Reichsstadt, die es wagte. Und in Ingolstadt hat Johannes Eck gelehrt, ein glühender Verfechter des Katholizismus. Eck traf mit Luther 1519 in der Leipziger Disputation aufeinander und bewog den Papst 1520 dazu, das Verfahren gegen Luther fortzusetzen. Von der Veste Coburg aus verfolgte Luther den Augsburger Reichstag von 1530, von dem sich alle eine Lösung der Konfessionsfrage erhofften. Daran wird bis heute gearbeitet, ohne dass die Hoffnung stirbt. Das große Reformationsfest, das am 1. Juli 2017 in Nürnberg geplant ist, soll jedenfalls den Geist der Ökumene atmen.

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SZ vom 25.10.2016
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