Süddeutsche Zeitung

Gesundheitspolitik:Wenn der Arzt die Akte schwärzt

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Von Dietrich Mittler, München

Nach gut zwei Jahren haben das Gesundheitsministerium und die Bayerische Landesärztekammer ihre Kontroverse um die Herausgabe von Behandlungsakten an Patienten jetzt beigelegt. Begonnen hatte die Auseinandersetzung mit einem Paukenschlag. Bayerns Ärzte hatten im Oktober 2015 in ihrer Berufsordnung festgelegt, dass sie Patienten die Akteneinsicht nicht nur aus erheblichen therapeutischen Gründen verweigern dürften oder um die Rechte Dritter zu schützen, sondern auch dann, wenn einer Akteneinsicht "erhebliche Rechte der Ärzte" entgegenstünden.

Da aber spielte das Gesundheitsministerium als Aufsichtsbehörde nicht mit: Die Patientenrechte seien hier viel höher anzusetzen als die Rechte der Ärzte. Der Fall ging vor Gericht, die Landesärztekammer unterlag 2016, ihr wurde sogar die Revision verweigert. Ministerium und Ärztekammer verhandelten allerdings im Stillen weiter.

Gesundheitsministerin Melanie Humls Experten setzten sich insoweit durch, als die Ärztekammer in ihrer Berufsordnung im strittigen Passus nun nicht mehr die "erheblichen Rechte der Ärzte" als Begründung für die Verweigerung einer Akteneinsicht anführen darf.

Allerdings wurde den Ärzten eine Ausnahme zugestanden. In der Berufsordnung heißt es künftig in einem Folgesatz: "Ausnahmsweise darf der Arzt einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme ausnehmen, wenn sein Interesse am Schutz seines Persönlichkeitsrechts das Interesse des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt."

Dieser Kompromiss dürfte Wellen schlagen, ist das Thema doch äußerst konfliktträchtig. Hauptsächlich verlangen Patienten ihre Akte ja dann, wenn sie den Arzt wechseln möchten oder gar Behandlungsfehler vermuten. Gemäß dem 2013 in Kraft getretenen Patientenrechtegesetz dürfen Ärzte die Akteneinsicht nur noch aus sehr triftigen Gründen verweigern. Was jedoch triftige Gründe sind, wird in zahlreichen Fällen immer noch durch Rechtsanwälte ausgetragen.

Max Kaplan, der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, ist mit dem Kompromiss zufrieden. "Dass Patienten ein vorrangiges Recht auf ihre Daten haben, ist klar", sagte er am Montag. Andererseits blieben in der Berufsordnung weiterhin die Rechte der Ärzte berücksichtigt - wenn auch nachrangig.

Laut Kaplan könnte ein Arzt seinem Patienten etwa dann Teile der Akte vorenthalten, "wenn dort ganz persönliche Notizen des Therapeuten stehen, bei deren Veröffentlichung es zu einer massiven Belastung des Patienten-Arzt-Verhältnisses käme". Auch wenn persönliche Rechte des Arztes beschädigt würden, dürften entsprechende Passagen in der Patientenakte "geschwärzt werden", betonte der Kammerpräsident.

Konkret könnte ein solcher Fall eintreten, wenn etwa ein Patient mit Kreuzschmerzen oder Schwindelattacken in einer Praxis erscheine, und der Arzt dann in die Patientenakte auch reinschreibe: "Verdacht auf psychische Belastung, besteht Problem mit Schwiegermutter." Kaplan sagte: "Das wäre aber nur eine Verdachtsdiagnose." In einem solchen Fall sei es nicht förderlich, wenn ein Patient diese zu lesen bekomme. Solche Eintragungen dürften geschwärzt werden. Klar sei auch, dass Ärzte künftig zurückhaltender mit Formulierungen und Notizen sein sollten. "Die Patientenakte ist nicht ihr persönliches Eigentum", sagte Kaplan.

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Quelle:
SZ vom 24.10.2017
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