Süddeutsche Zeitung

Winterspiele 2018:Olympiagegner starten Bürgerbegehren

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Mit einem Bürgerbegehren in Garmisch wollen die Olympiagegner die Münchner Bewerbung torpedieren. Für die Organisatoren kommt der Vorstoß zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.

H. Effern u. K. Riedel

In der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen starten nach Informationen der Süddeutschen Zeitung an diesem Dienstag Gegner möglicher Olympischer Spiele ein Bürgerbegehren. Dahinter stehen Vertreter mehrerer politischer Lager. Namentlich führt Bund-Naturschutz-Mann Axel Doering das Bürgerbegehren an, der auch im Netzwerk NOlympia engagiert ist.

Auch die Grundstückseigentümer, die angekündigt haben, ihr Land nicht für mögliche Winterspiele hergeben zu wollen, sympathisieren mit dem Begehren. "Wir hoffen, dass das Bürgerbegehren zum Erfolg führt. Meine Mandanten schätzen die Stimmung im Ort so ein, dass es durchgehen wird", sagte Rechtsanwalt Ludwig Seitz, der 63 Grundbesitzer vertritt. Mehr als 100 weitere haben unterschrieben, dass sie auch keine Wiesen für Olympia verpachten möchten.

Mit ihrer Unterschriftensammlung haben die Olympiagegner einen sensiblen Zeitpunkt gewählt: In nur einer Woche wird die Evaluierungskommission des Internationalen Olympischen Komitees nach München und auch nach Garmisch reisen, um die Bewerbungsdokumente bei Ortsterminen zu überprüfen - und auch, um die Stimmung zu messen. Die Bewerberstädte werden ihrerseits Umfragewerte vorlegen, wie die Stimmung in der Bevölkerung ist.

Die Stimmung ist in Garmisch-Partenkirchen nach der reibungslos verlaufenen alpinen Ski-Weltmeisterschaft, die am Sonntag zu Ende ging, immer noch gespalten. Wie sehr die Einheimischen zwischen WM und Winterspielen unterscheiden, hat auch Gian- Franco Kasper, Präsident des Weltskiverbandes Fis und Mitglied im IOC, erfahren. Eine Einheimische sei auf der Straße auf ihn zugekommen und habe ihn fast umarmt, bevor sie sagte: "Ich gratuliere, eine wunderbare Weltmeisterschaft, aber tun S' mir einen Gefallen - keine Olympischen Spiele."

Dass das Bürgerbegehren erst so kurz vor der Entscheidung über die Olympischen Spiele im Sommer kommt, liegt vor allem an der komplizierten Fragestellung. Denn die Frage, die den Bürgern vorgelegt wird, muss mit Ja oder Nein beantwortet werden. Aber eine so einfache Frage wie: "Sind Sie dafür, dass Garmisch-Partenkirchen seine Zustimmung für Olympia 2018 zurückzieht?" ist nicht möglich. Sie wäre eine Aufforderung zum Bruch der Verträge, die die politischen Ebenen untereinander geschlossen haben, um die Bewerbung beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) einreichen zu können.

Wer das Bürgerbegehren unterschreibt, fordert also in komplizierten Worten, dass die Gemeinde Garmisch angesichts drohender Folgen für Ortsentwicklung, Natur und Landwirtschaft sowie der unkalkulierbaren finanziellen Risiken rechtlich prüfen lässt, ob und unter welchen Voraussetzungen sie aus der Vorbereitung und Organisation der Spiele aussteigen kann. Ein Gutachten solle eingeholt werden, das der Verfassungsrechtler Heinrich Amadeus Wolff erstellen soll.

Wolff soll die Rechtswirksamkeit der Garantien und Verpflichtungen sowie eine mögliche Sittenwidrigkeit des sogenannten Host City Vertrages überprüfen. Er soll zudem klarstellen, ob Verpflichtungen zum Erlass oder der Änderung von Bauleitplänen und zu Enteignungen bestehen und die Möglichkeiten erörtern, sich von eingegangenen Verpflichtungen zu lösen. Alle vom Gutachter als zulässig beurteilten Maßnahmen sollen ergriffen werden, um keine weitere Unterstützung für die Bewerbung zu leisten. Die Olympiagegner setzen also darauf, die rechtliche Ungültigkeit der Olympia-Verträge feststellen zu lassen. Das ginge auch noch nach einem möglichen Zuschlag am 6. Juli.

1700 gültige Stimmen müssten vorgelegt werden, um das erforderliche Quorum für den Bürgerentscheid zu erfüllen. Um auf der sicheren Seite zu sein, will man mindestens 2100 Stimmen sammeln. Etwa 3000 Garmischer hatten im Sommer auf informellen Unterschriftenlisten, die der NOlympia-Sprecher und Landtagsgrüne Ludwig Hartmann ausgelegt hatte, bereits ihre Adressen hinterlassen. Sie bekommen nun erneut Post, um auch die offizielle Liste zum Bürgerbegehren zu unterschreiben.

Dass es schon allein mit diesen Unterschriften gelingen könnte, um bei der Gemeinde eine Zulassung zum Bürgerentscheid zu erreichen, hält Hartmann für realistisch. Lässt die Gemeinde die Fragestellung zu, hätte sie drei Monate Zeit, abstimmen zu lassen. "Wie schon in Oberammergau muss die Bevölkerung ihre politische Teilhabe selbst einfordern, da sie von den Olympiabefürwortern nie gefragt wurde", sagte Ludwig Hartmann am Montag.

Einige Olympiagegner haben die WM übrigens durchaus genossen. "80 Prozent der Grundstückseigentümer haben die WM akzeptabel gefunden, viele haben dafür auch ihren Grund, etwa für Parkplätze, hergegeben", sagte Ignaz Streitel, einer der Anführer des Widerstands der SZ. Streitel selbst hat die Rennen jeden Tag im Fernsehen verfolgt. "Ich bin doch kein Anti-Sportler. Und mein Schwiegersohn hat sogar als Freiwilliger bei der WM gearbeitet", sagt Streitel. Viele Garmischer haben nichts gegen den Wintersport, sondern nur gegen Winterspiele.

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Quelle:
SZ vom 22.02.2011
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