Süddeutsche Zeitung

Garmisch-Partenkirchen:Feuer in der Gamshütte

Lesezeit: 3 min

Von Heiner Effern, Garmisch-Partenkirchen

Der Wirt der Gamshütte gilt in Garmisch-Partenkirchen je nach Lesart als Vollpfosten oder als wilder Hund. Wobei Letzteres im Bairischen als Kompliment zu verstehen ist. Die einen rühmen den Kaiserschmarrn und die urige Atmosphäre in seiner Hütte auf dem Wank, die anderen erinnern sich, dass er schon mal ohne ersichtlichen Grund alle Gäste von der Terrasse komplimentierte. Als die Gegner des G-7-Gipfels auf der Suche nach einem Grundstück für ihr Protestcamp gegen die Werdenfelser Wand liefen, war es Bernhard Raubal, der ihnen seine Wiese in Garmisch verpachtete. Und nun also das Malheur vom Dienstag. Da brannte seine Gamshütte komplett aus.

Ein solches Unglück kann auch Berggasthöfen in anderen Alpenregionen widerfahren, nirgends aber lassen sich solche Geschichten daraus spinnen wie im Talkessel unterhalb der Zugspitze. Denn Raubal muss nicht überlegen, ob er den Gasthof auf knapp 1000 Metern über dem Meer wieder aufbaut. Der Wirt war gerade dabei, sein Leben und sein Haus dort oben zu demontieren. Er muss das Areal der Gamshütte laut einem Gerichtsbeschluss bis zum 30. November an den Grundeigentümer, die Bayerischen Staatsforsten, zurückgeben. Ohne Gebäude darauf.

Einen großen Teil des Rückbaus haben nun am Dienstag die Flammen erledigt. Allerdings haben sie auch einen enormen Wert vernichtet, der in der Hütte gesteckt haben soll. Das Polizeipräsidium Oberbayern Süd schätzt den Schaden auf mindestens 200 000 Euro. Gegen 14.30 Uhr entdeckten Wanderer das Feuer, trotz eines Großeinsatzes konnten die Wehren aus der Region das Gebäude samt Interieur nicht mehr retten. Verletzt wurde niemand, weil sich keine Gäste auf der Hütte befanden.

Sie sei wohl nur noch an den Wochenenden geöffnet gewesen, sagt der Garmischer Tourismus-Direktor Peter Nagel. Er wollte nach Berichten, dass es dort bereits "wild ausschaut " wie auf einer Baustelle, ohnehin diese Woche mit Raubal darüber sprechen. "Das hat sich wohl erledigt." Auch für den Ort sei der Verlust der Gamshütte bitter. "Das ist ein schönes Platzerl mit einer herrlichen Aussicht. Uns fehlt die sehr."

Am liebsten würde man natürlich von Bernhard Raubal erfahren, was passiert ist am Dienstag auf der Gamshütte. Doch er will sich nicht äußern. In Garmisch entwickeln sich dafür Theorien, bei denen ein technischer Defekt kaum vorkommt. Einige halten es für möglich, dass sich Einheimische rächen wollten, weil Raubal den linken Demonstranten seine Wiese für das Zeltlager verpachtete - wo doch alle anderen so perfekt zusammengehalten hatten. Er fühle sich bedroht, sagte Raubal Ende Mai. Polizeistreifen führen als Schutz am Haus seiner Familie vorbei. Selbst seine Verwandten würden ihm vorhalten: "Du bist schuld, wenn die uns die Häuser anzünden." Passiert ist nichts. Doch warf ihm mancher Garmisch-Partenkirchner vor, die Wiese nur an die Gipfelgegner verpachtet zu haben, um ihnen eins reinzuwürgen. Wegen der Geschichte mit der Gamshütte.

Warum das Gericht den Abriss anordnete

Seit knapp fünf Jahren tobte ein heftiger Zwist zwischen Raubal und den Staatsforsten. Von diesen kaufte der Wirt nach eigenen Angaben im Jahr 2004 das Gebäude, nicht aber das Grundstück der Gamshütte. Im Jahr 2010 lief der Pachtvertrag für das Areal aus. Die Staatsforsten geben an, dass Raubal trotz mehrfacher Hinweise die Option für eine Verlängerung nicht gezogen habe. Was nicht ungelegen kam, wie Eugen Huber von den Staatsforsten in Oberammergau einräumt. "Wenn man mit einem Pächter verlässlich und gut zusammenarbeitet, möchte man das ja weiter tun." Die Staatsforsten wollten das nicht, dafür aber das Gebäude kaufen. Doch weil Raubal als Eigentümer nicht verkaufen will, ordnete das Gericht den Abriss an.

Raubal wehrte sich gegen den erzwungenen Abschied. Er veröffentlichte im Internet ein Schreiben, in dem er sich auf eine mündliche Verlängerung des Pachtvertrags vor Zeugen im Jahr 2011 berief. Freunde starteten eine Online-Petition, Politiker wurden eingeschaltet. Doch Raubal verlor vor Gericht, worauf er in seinem kernigen Zorn nicht nur einmal angekündigt haben soll, die Hütte mit dem Bagger niederzuschieben - oder gleich anzuzünden. Vielleicht auch deshalb kursiert in Garmisch hauptsächlich die Version von der bayerischen Warmsanierung, die selbst zur Polizei vorgedrungen ist. Wobei die gewieften Experten längst eine Ecke weiter sind: Wenn einer öffentlich mit dem Anzünden gedroht habe, dann werde gerade er das nicht tun. Sondern eher ein anderer, den dann keiner verdächtige.

Die Ermittler interessieren aber nur Fakten. Deshalb hätten Brandfahnder der Kripo die Hütte am Mittwoch untersucht, sagt der Polizeisprecher. Das Ergebnis sei noch nicht bekannt. "Vom technischen Defekt bis zur Brandstiftung ist alles möglich."

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SZ vom 06.08.2015
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