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Flüchtlingspolitik:Warum eigentlich Bamberg?

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In Bamberg soll das zweite "Balkan-Zentrum" für Flüchtlinge in Bayern entstehen. Warum gerade dort? Nah an der Grenze zu Österreich liegt die Stadt in Oberfranken ja nicht.

Von Olaf Przybilla

In Bamberg soll neben Ingolstadt das zweite Zentrum für Flüchtlinge aus dem Balkan entstehen, die kaum Aussicht auf ein Bleiberecht haben. Insgesamt 1500 Flüchtlinge sollen im Osten der Stadt untergebracht werden. Und von dort aus, so will es zumindest Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), spätestens nach sechs Wochen wieder auf dem Heimweg zurück in den Balkan geschickt werden. Wie im oberbayerischen Manching, dem zweiten geplanten "Balkan-Zentrum" der Staatsregierung.

Was ist das für ein Gelände in Bamberg?

Auf dem ehemaligen Areal der US-Streitkräfte in Bamberg lebten einmal 10 000 Amerikaner. Das Areal ist noch im Besitz des Bundes, es umfasst zum Teil denkmalgeschützte Kasernengebäude, einen ehemaligen Flughafen, eine Munitionsanstalt, einen Schießplatz. Eben alles, was die US-Streitkräfte so brauchten. Das Gebiet erstreckt sich auf 450 Hektar, das ist nicht weniger als ein Zehntel der Fläche der Weltkulturerbe-Stadt.

Erst im Herbst sind dort die letzten US-Soldaten abgezogen. Was an anderen Standorten in Bayern für Beklommenheit gesorgt hatte, löste in Bamberg eine Euphoriewelle aus. Nicht, weil dort die Amis so unbeliebt gewesen wären. Sondern weil die hübsche Universitätsstadt Bamberg - im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen in Oberfranken - schon seit Jahren nach neuem Wohnraum sucht. Bamberg ist jung, angesagt und trotzdem noch einigermaßen bezahlbar für Studenten. Da kam eine so große neue Fläche mit insgesamt 2400 Wohnungen gerade recht.

Warum entsteht das Zentrum fern der Grenze?

Umso erstaunlicher mag da nun die Bereitschaft der Stadt wirken, dort demnächst auch 1500 Flüchtlinge zu beherbergen. Schon weil Bamberg so gar nicht "grenznah" zu Österreich liegt, wie es die CSU für ihre "Balkan-Zentren" in Aussicht gestellt hatte. Grenznähe? Richtig, räumt Minister Herrmann ein, das war das Ziel, als man nach geeigneten Orten für die "Balkan-Zentren" gesucht hat. Aber es habe sich eben als schwierig herausgestellt, passende Immobilien zu finden.

Überdies seien die mit den Flüchtlingen beschäftigten Behörden an der südlichen Grenze Bayerns "sehr stark in Anspruch genommen", da sei man jetzt halt auf Nordbayern gekommen. Dass die 70000-Einwohner-Stadt "Verantwortung" übernimmt, das lobt Herrmann.

Überdies, ergänzt Sozialministerin Emilia Müller, sind Flughäfen wichtig für Erstaufnahme-Zentren. Für diejenigen Flüchtlinge, die nicht freiwillig ausreisen wollen. Und der Flughafen Nürnberg ist nicht weit entfernt von Bamberg.

Jetzt kann Bamberg Forderungen stellen

Die Stadt Bamberg sieht Chancen im neuen Flüchtlingszentrum: Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) hat beobachtet, wie lange es andernorts dauerte, bis ehemalige US-Militärgelände von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben endgültig an die Kommunen übergingen. Allein die Suche nach Schadstoffen kann Jahre dauern.

Jetzt, in dieser Situation, kann Bamberg Forderungen stellen: Bis spätestens Mai 2016 soll das Gelände an die Stadt übergehen. Und auf dem Riesengelände wäre, so rechnet die Stadt, sowohl Platz für 1500 Flüchtlinge, als auch Platz für 5000 Menschen, die im begehrten Bamberg nach einer Bleibe suchen. Das könnte jetzt alles schnell gehen. Viel schneller als ohne "Balkan-Zentrum" jedenfalls.

In welcher Pflicht der OB die Kommunen sieht

Was aber das Wichtigste ist, sagt SPD-Oberbürgermeister Starke: "Wer in Bamberg um Hilfe bittet, bekommt sie auch." In Zeiten, in denen Flüchtlinge in Zelten und anderen Provisorien untergebracht würden, sei es eine Pflicht der Kommunen zu helfen. Gerade, wenn Wohnraum leer steht, wie in einer ehemaligen Kaserne, sagt Starke. Sätze, die sich wohltuend unterscheiden von den Tönen, die zuletzt aus anderen Städten zu hören waren, wo ebenfalls Flüchtlinge untergebracht werden sollten.

Stimmt der Feriensenat des Bamberger Stadtrats am 20. August zu, sollen die ersten Flüchtlinge womöglich bereits Mitte September in Bamberg untergebracht werden.

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