Süddeutsche Zeitung

Film über "Eddie the Eagle":Sprung in die Ewigkeit

Lesezeit: 2 min

Von Stefan Mayr, Oberstdorf

Irgendwas stimmt da nicht auf und unter der Skisprungschanze von Oberstdorf. Lauter alte Sachen. Alte Ski-Ausrüstungen, alte Daunenjacken, alte Fernsehkameras. Ein altes Logo, das einem irgendwie bekannt vorkommt, aber bestimmt schon seit zwei Jahrzehnten nicht mehr begegnet ist. Der Schriftzug hilft weiter: "Calgary 1988" steht da mit weißen Lettern auf rotem Grund. Kanada im Allgäu, das Stadion am Schattenberg als Rampe für einen großen Zeitsprung: Seit Montag wird dort das Leben von "Eddie the Eagle" verfilmt.

Eddie, der Adler? Jener kurzsichtige Maurer mit der dicken Brille, der mit minimalem Talent und maximalem Willen den Sprung zu den Olympischen Spielen schaffte: Michael Edwards, der schlechteste Skispringer aller Zeiten. Bei Olympia 1988 in Calgary landete er mit seinen zwei Mäusesprüngen auf dem letzten Platz. Und in den Herzen der ganzen Welt.

500 Oberstdorfer als Komparsen

Sein sympathisches Lächeln, sein komisches Lispeln, seine erfrischenden Sprüche lösten damals eine "Eddiemania" aus. Edwards hob sich dermaßen vom olympischen Hochleistungs- und Vermarktungs-Einheitsbrei ab, dass seine Karriere jetzt, ein Vierteljahrhundert später, verewigt wird. Die Hauptrolle in der Hollywood-Produktion übernimmt Taron Egerton, Superstar Hugh Jackman spielt Edwards' Trainer. Regisseur ist Dexter Fletcher. Als Komparsen wurden etwa 500 Oberstdorfer gecastet, sie dürfen Passanten und Zuschauer, Springer und Trainer mimen - aber nichts sagen. Nicht einmal Michael Edwards selbst kennt das Drehbuch richtig, wie er neulich in einem Zeitungsinterview verriet.

Es ist nicht das erste Mal, dass das dilettantische Herumsporteln von Dauer-Verlierern gewinnbringend verfilmt wird. 1993 ließ der Disney-Konzern den jamaikanischen Vierer-Bob über die Leinwände kurven. Unter dem Motto "Cool Runnings - Dabei sein ist alles" stürzte das Quartett kurz vor dem Ziel - um dann den Bob über die Ziellinie zu tragen. Die Handlung der Komödie war frei erfunden, bis auf den wahren Kern: 1988 in Calgary fuhr tatsächlich ein Team Jamaika bei Olympia mit.

Es ging immer darum, unverletzt anzukommen

Damals war auch Eddie the Eagle dabei. Den nötigen Qualifikationssprung hatte der erste und einzige Skispringer des gesamten Vereinigten Königreichs tatsächlich in Oberstdorf bei den Nordischen Skiweltmeisterschaften absolviert. Es war ein ganz besonderer Satz: Weder Edwards noch den Zuschauern ging es jemals um die Weite (73,5 Meter). Nein, es ging einzig und allein darum, unverletzt unten anzukommen. Anfangs wurde er verspottet und geschnitten, am Ende respektiert und sogar geliebt. Letztlich war er ein Gewinner: Er hatte seinen Kindheitstraum von Olympia erfüllt. Und das nur zwei Jahre, nachdem er erstmals eine Schanze hinuntergehopst ist.

"Wir sind sehr stolz, dass wir als Drehort ausgewählt wurden", sagt Oberstdorfs Tourismuschefin Heidi Thaumiller. Wenn der Film an Ostern 2016 in die Kinos kommt, wird die Stadt Oberstdorf allerdings kaum erkennbar in Erscheinung treten. Logo und Schriftzug von "Calgary 1988" kleben wirklich überall.

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Quelle:
SZ vom 16.03.2015
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