Süddeutsche Zeitung

Englisches Vorbild:Bayerischer National Trust

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Ein neuer Verein will gefährdete Kulturgüter erwerben und so für die Zukunft erhalten

Von Hans Kratzer, München

In Bayern werden viele Vereine für alle möglichen Zwecke gegründet, aber momentan ragt ein Neuling aus der Masse heraus. Sein Anliegen ist höchst ambitioniert: Der Verein Kulturerbe Bayern hat sich zum Ziel gesetzt, Gebäude und Landschaften von historischem Wert oder von besonderer Schönheit dauerhaft zu bewahren. Damit sind nicht jene Denkmäler und Naturräume gemeint, um deren Erhalt man sich keine Sorgen zu machen braucht. Vielmehr geht es dem Verein um die Rettung jenes reichen Kulturerbes, für das sich kein Investor findet, für dessen Erhalt kein Geld und kein Interesse vorhanden sind, selbst wenn es einen Ort oder eine Landschaft seit langer Zeit prägt.

"Staat, Kommunen sowie Privateigentümer haben in der Vergangenheit beispielhafte Arbeit geleistet", sagte der Vorsitzende Johannes Haslauer am Mittwoch bei der Vorstellung des Projekts. Er nannte stellvertretend für viele Denkmalretter die Altstadtfreunde Nürnberg und den Förderkreis Schackypark. Und doch konnte beileibe nicht alles, was prägend war, erhalten werden. Allzu häufig reichen die Mittel oder das Wissen nicht aus, um Landschlösser, Vierseithöfe oder Kurbäder vor dem Verfall, Abbruch oder Umwidmung zu schützen. Zudem ist der einzelne Bürger mit dem Besitz eines Kulturdenkmals oft überfordert. Nicht zuletzt wirkt sich der Strukturwandel negativ auf die Bausubstanz aus. Leerstand in den Ortskernen, Zersiedelung der Landschaft, Verfall und Abbruch orts- und stadtbildprägender Gebäude haben epidemische Ausmaße angenommen. Das Kulturerbe leidet unter Verfall, Abbruchbirne und unsensibler Nutzung.

Der Verein Kulturerbe Bayern will vor allem dort in die Bresche springen, wo weder staatliche Fördermaßnahmen greifen noch private Investoren aktiv werden. Zu diesem Zweck bereitet er die Gründung einer Stiftung vor, die sich an einem überragenden Vorbild orientiert, nämlich am National Trust in Großbritannien.

Diese Nationale Treuhandschaft wurde 1895 gegründet. Sie betreut Bau- und Naturdenkmäler in England, Wales und Nordirland. Zum Eigentum des National Trusts zählen gut 200 historische Gebäude und Gärten sowie 47 industrielle Bauwerke und Mühlen, 49 Kirchen und Kapellen, einige Pubs und 19 Schlösser sowie etwa 2550 Quadratkilometer Grund. Der National Trust hat mehr als vier Millionen Mitglieder.

Nach diesem Vorbild soll nun auch in Bayern eine Stiftung gegründet werden. Mithilfe dieses National Trusts für den Freistaat sollen Gebäude erworben, saniert und einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden. Wie Haslauer mitteilte, fußt das Projekt auf vier Säulen: Vereinsmitglieder, Volunteers (freiwillige Helfer), Stifter und Spender. Bis zum Oktober kann man Gründungsstifter werden. Auch der Freistaat unterstützt die Stiftung laut Landtagsbeschluss finanziell. Im Übrigen können auch Bauobjekte in die Stiftung übernommen und damit dauerhaft gerettet werden.

Als stellvertretender Vorsitzender des Vereins fungiert der CSU-Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper. Er ist zuversichtlich, dass der Plan der Stiftung aufgeht. "England zeigt mit den vier Millionen Mitgliedern im Trust, dass das funktioniert." Außerdem gebe es dort 60 000 freiwillige Helfer. "Was bei der Freiwilligen Feuerwehr bei uns längst selbstverständlich ist, muss auch hier gelingen." Einer der ersten Gründungsstifter ist der Unternehmer Andreas Hänel, der sich seit langem auch privat für den Erhalt alter Häuser engagiert und den Vorstand des Vereins berät. Er sagte: "Kulturerbe Bayern kann der Multiplikator sein, der in viel größerem Maße Schutz für gefährdete Bauten bieten kann, als das Einzelpersonen vermögen." Wer mitmachen will, sei es als Mitglied, Spender, Stifter oder Volunteer, kann sich jederzeit beim Verein melden. Alle Informationen im Internet unter www.kulturerbebayern.de.

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Quelle:
SZ vom 13.07.2017
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