Süddeutsche Zeitung

Supermärkte in der Pandemie:Es braucht scharfe Kontrollen

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Die Bedeutung der Lebensmittelmärkte für die Gesellschaft ist groß, ebenso wie ihre Verantwortung - denn sie müssen Personal und Kunden schützen. Wo das nicht gelingt, müssen die Behörden eingreifen.

Kommentar von Thomas Balbierer

Der Mensch braucht Routinen, selbst in Zeiten der Krise. In der Pandemie klammert er sich an jede Gewohnheit, die ihm bleibt. So stieg etwa der Spaziergang zur Recycling-Insel zum Hobby auf. Auch das Einkaufen erlangte eine metaphysische Bedeutung: Offene Supermärkte sorgen nicht nur für volle Kühlschränke, sie schenken im Ausnahmezustand Momente der Normalität. Solange die Knüller-Angebote der Woche im Einkaufswagen landen, ist der Alltag nicht ganz verloren. Als hätte es noch eines Beweises ihrer Systemrelevanz bedurft, brachten am Samstag zwei Discounter neue Corona-Selbsttests auf den Markt, der Staat erschien düpiert.

Doch so wichtig die Lebensmittelmärkte für die Gesellschaft sind, so groß ist auch ihre Verantwortung. Die Politik hat die Erwartungen klar formuliert: Die Unternehmen müssen den Infektionsschutz in allen Märkten garantieren. Wer sich aber nach Feierabend regelmäßig luftanhaltend durch überfüllte Regalstraßen quetschen muss, weil sich zu viele Kunden auf zu engem Raum tummeln, weiß, dass die Vorgaben zum Teil erschreckend nachlässig umgesetzt werden. Scharfe Kontrollen fehlen.

Ja, es gibt viele Geschäfte, die vorbildlich arbeiten. Aber es gibt zu viele Läden, die jedem Hobby-Virologen die Haare zu Berge stehen lassen. Sie müssen von Behörden strenger kontrolliert werden. Regelmäßig und unangekündigt. Der Druck auf Negativ-Filialen muss wachsen, damit Betreiber dem Infektionsschutz nicht achselzuckend begegnen. Wenn manche Ordnungsämter vor dieser Aufgabe kapitulieren, muss zur Not die Polizei ran. Doch auch sie macht derzeit keine Stichkontrollen.

Das löchrige System muss alle Einzelhändler frustrieren, deren Geschäfte seit Monaten geschlossen sind - trotz funktionierender Hygienekonzepte. Und es ist gefährlich für Kundinnen und Kunden, besonders aber für das Personal. Schließlich kann es nicht einfach in eine andere Filiale oder einen gemütlichen Bio-Markt ausweichen. Es muss unter teils kläglichen Bedingungen arbeiten - Tag für Tag. Dass sich manche in der Branche wie Kanonenfutter fühlen, darf der Staat nicht hinnehmen. Sonst werden die Verstöße zur Gewohnheit. Und diese Routine braucht kein Mensch.

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Quelle:
SZ vom 11.03.2021
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