Süddeutsche Zeitung

Edigna 23:Berührende Verbundenheit

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Der Benefizabend im Stadtsaal des Veranstaltungsforums am Jahrestag des Überfalls von Russland auf die Ukraine ist vor allem für die Geflüchteten weit mehr als nur ein symbolischer Akt.

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Man kann nur erahnen, wie wichtig dieser Abend ist. Für die beiden Schauspielerinnen auf der Bühne und das Team dahinter. Als Zeichen der Solidarität und des Zusammenhalts. Vor allem aber für die vielen Menschen aus der Ukraine, die im Publikum des ausverkauften Stadtsaals des Veranstaltungsforums sitzen, vor Monaten aus ihrer Heimat geflüchtet vor der erbarmungslosen Gewalt, die die Ukraine seit genau einem Jahr überzieht. Die seitdem getrennt sind von ihrer Kultur, ihren Wohnungen, ihrer vertrauten Umgebung. Und die nun endlich einmal wieder eine Aufführung in ihrer Sprache erleben dürfen. Die Geschichte der seligen Edigna, wichtig für die Identität ihres Landes und eine Verbindung nach Fürstenfeldbruck, gespielt unter anderem von Irma Vitovska, einer ukrainischen Filmschauspielerin, die in ihrer Heimat durchaus als Star bezeichnet werden kann.

Entsprechend emotional reagieren einige Besucherinnen und Besucher, als sie die Bühne betritt. Und entsprechend emotionaler wird es, als sie am Ende des Abends noch einmal auf die Bühne kommt und in dem gelb und blau beleuchteten Saal die ukrainische Hymne anstimmt, das Publikum mit einstimmt und mehrere Ukraineflaggen geschwenkt werden.

Zum Jahrestag des Angriffs Russlands auf die Ukraine haben die Stadt Fürstenfeldbruck und der Edigna-Verein diesen besonderen Benefizabend "Edigna 23" organisiert und das 2018 in Kiew entstandene Edigna-Drama von Fedir Balandin in Originalbesetzung und auf Ukrainisch nach Fürstenfeldbruck geholt. Mit den Einnahmen werden der Verein "Brucker helfen der Ukraine" und der Fonds "Bürger in Not" der Stadt unterstützt.

Für die deutschsprachigen Besucher gibt es übersetzte Zusammenfassungen der einzelnen Szenen. Die Aufführung selbst ist eine rasante und effektreiche Mischung aus Schauspiel und bildgewaltiger Videoshow. Auf einem großen Bildschirm über der Bühne wird die Handlung durch im Comic-Stil gezeichnete Sequenzen begleitet. Immer wieder erscheint dort auch Edignas verstorbener Großvater Jaroslav und spricht in Visionen zu ihr.

Edigna wird auf der Bühne von Anastasia Blazhchuk gespielt, gekleidet in Ritterrüstung und stets mit ihrem Schicksal hadernd. Als Tochter des französischen Königs und seiner Frau Anna von Kiew soll sie die Rolle der zwangsverheirateten Ehefrau und Mutter einnehmen. Aber sie will mehr.

Also entschließt sie sich eines Nachts, nach einer erneuten Vision, aus dem Palast in Paris zu fliehen. Sie schließt sich einem vorbeiziehenden Tross Richtung Osten an und landet so in Puch. Dort steckt sie ihr Schwert in den Boden und daraus wächst die Edigna-Linde, in der sie fortan lebt, von wo sie die Menschen der Umgebung mit ihrem Wissen unterstützt und als Heilerin auftritt. In all seiner Wucht und mit dem spirituellen Touch erzielt das Stück durchaus seine Wirkung.

Vitali Klitschko und die deutsche Botschafterin melden sich mit Videobotschaften

Eröffnet wird der Abend von der Empore des Stadtsaals durch ein Blasensemble mit der Europahymne. Es ist das erste von vielen Malen, dass sich das Publikum an diesem Abend geschlossen erhebt und applaudiert. "Ihr seid nicht alleine, wir sind an eurer Seite. Ihr seid Teil unserer europäischen Gemeinschaft", sagt Birgitta Klemenz, Dritte Bürgermeisterin von Fürstenfeldbruck und Mitorganisatorin der Veranstaltung, in ihrer Rede.

In einer Videobotschaft richtet Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew und einer der Schirmherren der Veranstaltung, einige Worte an seine ukrainischen Mitbürger und dankt dann auf Deutsch für die Unterstützung seines Landes. Auch die zweite Schirmherrin Anke Feldhusen, deutsche Botschafterin in Kiew, hat eine Videobotschaft vorbereitet. Sie betont, Fürstenfeldbruck sei ein Beispiel dafür, wie Hilfe und Solidarität auch auf lokaler Ebene gelingen könnten. Andreas Lohde wandelt in seiner Rede als Zweiter Vorsitzender des Edigna-Vereins den traditionellen jüdischen Wunsch "Nächstes Jahr in Jerusalem" in ein "Nächstes Jahr in Kiew" um. "Ich rufe uns das zu, damit der Krieg ein Ende haben möge. Und wir uns nächstes Jahr alle in Kiew treffen können."

Dieser Hoffnung verleihen die Besucherinnen und Besucher im Anschluss mit einer symbolischen Geste in der Klosterkirche Ausdruck. Gemeinsam ziehen sie vom Veranstaltungsforum in die naheliegende Kirche. Dort entzünden sie vor dem Alter an einem Friedenslicht kleine Kerzen, die sie in eine große Schale stecken. Hier wird es noch einmal emotional, als Irma Vitovska ukrainische Kirchenlieder aus dem 15. und 16. Jahrhundert anstimmt, während die vielen Menschen, Deutsche und Ukrainer gemeinsam, ihre Kerzen entzünden. Und so endet der Abend, wie er begonnen hat: als wichtiges Zeichen nicht nur für die, die an ihm teilgenommen haben.

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