Süddeutsche Zeitung

Chiemsee:Künstler verliert vor Gericht

Lesezeit: 1 min

Streit um Grabkreuz für Kriegsverbrecher geht weiter

Der Aktionskünstler Wolfram Kastner muss das Grabmal des Wehrmachtsgenerals und Kriegsverbrechers Alfred Jodl auf der Fraueninsel im Chiemsee künftig unangetastet lassen. Das Landgericht München hat am Freitag in einem Zivilverfahren eine einstweilige Verfügung bestätigt, die der Neffe von Jodls zweiter Frau gegen Kastner erwirkt hatte. Dieser sieht sich nach seinen bisherigen Aktionen und auch durch den Prozess ohnehin am Ziel, die größtmögliche Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Gleichwohl kündigte er über seinen Anwalt an, in Berufung zu gehen und wegen Missachtung der Kunstfreiheit notfalls Verfassungsbeschwerde zu erheben.

Im Gegensatz zu seinen beiden Ehefrauen liegt Jodl selbst nicht auf der Insel begraben. Nach dem Todesurteil in den Nürnberger Prozessen und der Hinrichtung haben die Alliierten seine Asche in die Isar streuen lassen, um keine Pilgerstätte für Verehrer zu schaffen. Genau dazu ist nach Ansicht von Kastner und anderen Kritikern aber das Grab auf der Insel geworden, wo Jodls Name größer als der seiner Frauen an einem Kreuz prangt. Ein Kompromiss, Jodls Namen zu entfernen, scheiterte an der Forderung des Klägers, Kastner müsse 4000 Euro für die wiederholte Säuberung des Steins bezahlen. Unter anderem hatte er den Stein zweimal mit roter Farbe begossen. In der Einschätzung Jodls als Kriegsverbrecher sind sich beide Seiten einig, der Kläger will jedoch kein Aufsehen um das Grab.

Die Gemeinde Chiemsee hat nach einer ersten Landtagspetition 2014 beschlossen, das Grabrecht Ende Januar 2018 auslaufen und das Grab entfernen zu lassen. Eine zweite Petition und auch eine aktuelle Anfrage des SPD-Abgeordneten Florian von Brunn an die Staatsregierung brachten kein anderes Ergebnis. Laut der Antwort von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) handelt es sich um ein privates Grab. Es bis 2018 bestehen zu lassen, liege im Ermessen der Gemeinde. Von Brunn kritisiert diese Antwort als Relativierungsversuch. Juristisch steht neben der angekündigten Berufung ein Strafprozess gegen Kastner aus.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3383467
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.02.2017 / kpf
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.