Süddeutsche Zeitung

Bundesversammlung:Diese 97 Bayern wählen den Bundespräsidenten mit

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Von Wolfgang Wittl, München

Es war ein interessantes Gespräch, das CSU-Chef Horst Seehofer vor ein paar Wochen mit seinem Vor-Vor-Vorgänger Theo Waigel geführt hat. Es ging um die Wahl des Bundespräsidenten, und Waigel machte Seehofer eindringlich klar, welches Signal davon für die folgende Bundestagswahl ausgeht. Waigel verwies auf 1969, als CDU und CSU in naiver Selbstüberschätzung glaubten, ihren Kandidaten, den damaligen Verteidigungsminister Gerhard Schröder (CDU), allein durchsetzen zu können.

Wie es wirklich kam, ist bekannt: Die FDP einigte sich mit der SPD auf Gustav Heinemann, es war die Geburtsstunde einer 13 Jahre dauernden sozialliberalen Koalition. Auch 1979 (Karl Carstens) und 2004 (Horst Köhler) führte Waigel ins Feld, hier jeweils zu Gunsten der Union. "Die Wahl des Bundespräsidenten war immer ein politischer Vorbote", sagt Waigel.

Am 12. Februar nächsten Jahres wird Waigel selbst zu den 1260 Wahlleuten gehören, die den Bundespräsidenten wählen. Er zählt zu den 97 Männern und Frauen, die der bayerische Landtag am Dienstag zusätzlich zu den Bundestagsabgeordneten aus dem Freistaat nominiert hat. Dass es ausgerechnet ein SPD-Mann ist, dem der ehemalige CSU-Chef seine Stimme geben soll, hat Waigel zunächst verwundert. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sei zwar ein sehr integrer, pflichtbewusster und engagierter Mann.

Dass es der Union als stärkste politische Kraft allerdings nicht gelungen sei, einen eigenen Bewerber aufzubieten, könne man "nicht als Sieg darstellen". Andererseits sei die Lösung mit Steinmeier immer noch besser, als in eine Niederlage zu gehen. Denn wenn es darauf angekommen wäre, hätten sich die anderen Parteien gegen CDU und CSU verbündet, davon ist Waigel überzeugt. Und dann wäre das aus Unionssicht unerwünschte Signal eines Machtwechsels auf einmal unübersehbar gewesen.

Wie Waigel denken viele in der CSU, die den SPD-Mann Steinmeier Mitte Februar wählen sollen - notgedrungen. Anders als früher setzen sich die 55 Repräsentanten der Christsozialen aus derzeitigen und ehemaligen Funktionsträgern zusammen, auf Persönlichkeiten aus der Gesellschaft verzichtet die Partei diesmal. Man fahre schließlich nicht zu einer Glamourveranstaltung, sondern zu einem Arbeitstreffen, sagt CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer.

Neben Ministerpräsident Horst Seehofer, sämtlichen bayerischen Ministern und zahlreichen Abgeordneten finden sich mit Waigel noch zwei weitere frühere CSU-Chefs auf der Liste: Edmund Stoiber und Erwin Huber. Andere hingegen zeigten sich nicht traurig, dass sie nicht dabei sind. Der Oberpfälzer CSU-Chef Albert Füracker soll in einer Sitzung des Parteivorstands gesagt haben, er könne gut darauf verzichten, einen SPDler zu wählen.

Die bayerischen Sozialdemokraten haben damit naturgemäß weniger Probleme:

Unter ihren 23 Delegierten befinden sich auch der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter, der Regisseur Marcus H. Rosenmüller, der Gewerkschaftsfunktionär Jürgen Wechsler und Verena Bentele, die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung. Er freue sich, "dass es uns gelungen ist, diese verdienstvollen Mitbürgerinnen und Mitbürger für die Wahl des Bundespräsidenten zu gewinnen", sagt SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher.

Auch Freie Wähler und Grüne setzen auf Personen des öffentlichen Lebens. Die Liste der zehn Köpfe starken Freien Wähler führt der Jurist und Fernsehrichter Alexander Hold an, der selbst für das Amt des Bundespräsidenten kandidiert. Zu den neun Grünen gehört etwa der Kabarettist Christian Springer. Das Gros der Wahlleute stellen allerdings auch bei der Landtagsopposition die gewählten Abgeordneten.

Die CSU erinnert sich ungern an externe Stimmengeber. Sie hatte 2004 Gloria Prinzessin von Thurn und Taxis nominiert. Doch statt den Unionsmann Horst Köhler zu wählen, unterstützte die Adelsfrau lieber Gesine Schwan von der SPD. Von der Parteiräson abweichen? Für Theo Waigel undenkbar: "Da unterscheidet sich der Bürger Waigel von der Fürstin Gloria." Abgesehen davon, dass die CSU diesmal ohnehin SPD wählen soll.

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SZ vom 23.11.2016
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