Süddeutsche Zeitung

Sieger des Schülerzeitungswettbewerbs Blattmacher:Schreiben ohne Angst

Lesezeit: 2 min

Wenn Geflüchtete Zeitung machen, wird es schnell politisch: Ein Schüler erzählt von Schlägen, Hunger und Unrecht an der Grenze und vom Glück, darüber berichten zu dürfen.

Von Humam Ali

Was dort an der belarussisch-polnischen Grenze passiert, muss mit allen Mitteln gestoppt werden. Ich glaube nicht, dass es einen Menschen auf der Erde gibt, der anhaltende Menschenrechtsverletzungen, Ungerechtigkeit, Schläge und Hunger einfach hinnehmen wird. Genau das hat mich dazu bewogen, den Artikel zu schreiben. Es gibt immer eine Möglichkeit zu helfen, laut zu schreien, damit die Welt es hören kann.

Ich komme aus dem Irak und floh von dort am 22. September 2021 mit meinen Freunden, die ich vorher kennengelernt hatte und die ebenfalls flüchten wollten. Ich bin aus meinem Land geflohen wegen der Probleme, die durch die dortigen Kriege verursacht wurden, und wegen der Milizen, die uns regieren. Meine Familie musste ich zurücklassen und konnte sie bis jetzt nicht wiedersehen. Mein Job, meine Schule, meine Freunde und einfach alles, was mein Leben bedeutete, war Vergangenheit.

Wir kamen zuerst in die Stadt Minsk, die Hauptstadt von Belarus. Ich war auf einer Straße unterwegs, die erst seit Kurzem befahrbar war. Die Straße sollte mich nach Polen bringen und von dort weiter nach Deutschland. Jeder Versuch, die Grenze nach Polen zu überqueren, scheiterte an der Gegenwehr der Grenzschutzbeamten. Deshalb blieb ich zehn Tage dort. Jeden Tag habe ich versucht, irgendwie durchzukommen. Der Schleuser hat mir ein wenig geholfen, durchzukommen. Er schickte mir Adressen für mein GPS aufs Handy. Die zehn Tage an der Grenze kamen mir vor wie zehn Jahre. Wir haben den Preis für die politischen Probleme dort bezahlt.

Nach meiner Ankunft in Deutschland war ich überrascht von der Schwierigkeit des Lebens hier und ich war überrascht von den Gesetzen, die von den Einwanderungsbehörden und der Ausländerbehörde erlassen wurden. Ohne Arbeitserlaubnis darf zum Beispiel niemand arbeiten. Niemand darf aus dem Asylheim ausziehen. Ich hatte unterwegs viel gelitten und Dinge gesehen, die ich nicht ertragen konnte. Wir können hier nur versuchen, uns angesichts aller Probleme ein besseres Leben aufzubauen.

Der größte Antrieb, für die Schülerzeitung zu schreiben, war für mich, dass ich endlich meine Geschichte erzählen kann, dass sie gelesen wird und dass darüber geredet wird. Es ist wirklich eine wunderbare Sache, wenn man alles mitteilen kann, was einem am Herzen liegt, ohne die Angst vor schlimmen Konsequenzen. Es ist unsere Welt. Und es ist unser Leben. Es ist die Pflicht eines jeden, etwas dafür zu tun, dass es besser wird. Wir haben Stifte, Laptops und eine Zeitung. Also gehen wir es an.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.6334036
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.