Süddeutsche Zeitung

Bericht:Kritik an Gewalt bei Abschiebungen

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Europarat bemängelt mehrere Punkte an Praxis in Bayern

Das Anti-Folter-Komitee des Europarats (CPT) hat kritisiert, dass Abschiebungen aus Deutschland den Betroffenen häufig zu kurzfristig angekündigt würden. Es sei unerlässlich, dass den Menschen rechtzeitig mitgeteilt werde, dass sie Deutschland verlassen müssten, erklärte das CPT in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht. Nur so könnten sich die Menschen psychisch mit der Situation auseinandersetzen.

Die Europarats-Experten machten ihre Beobachtungen bei der Begleitung einer Abschiebung von München in die afghanische Hauptstadt Kabul im August des vergangenen Jahres. Der Ablauf der Ausweisung sei generell gut vorbereitet und professionell gewesen, erklärte das Komitee. Kritisch sah die Delegation jedoch die Anwendung von Gewalt gegen einen der Männer auf dem Abschiebungsflug. Die Delegation rügte, dass einem Mann absichtlich starke Schmerzen zugefügt worden seien. Wie im Bericht beschrieben, wurden ihm die Genitalien gequetscht, "um kooperatives Verhalten zu erreichen".

Das Anti-Folter-Komitee, das Haftbedingungen in Europa überprüft, besteht aus Experten des Europarats und hat seinen Sitz im französischen Straßburg. Die Berichte zu den Besuchen sind keine Ermittlungen gegen einen Staat. Der Europarat überwacht die Menschenrechtslage in seinen 47 Mitgliedstaaten.

Einige der Menschen gaben nach Darstellung im Report an, dass ihnen nicht genügend Zeit gegeben wurde, um sich auf ihre Abschiebung vorzubereiten. Sie seien erst kurz davor von der Polizei abgeholt worden, teilweise nachts, und hätten auch nicht ausreichend Zeit gehabt, alle ihre Habseligkeiten zusammenzupacken. Betroffene in Abschiebehaft im ehemaligen Gefängnis in Eichstätt seien erst informiert worden, als die Polizei sie abholte, um sie zum Flughafen in München zu bringen, berichtete die Delegation. Aus der Antwort des Bundesjustizministeriums auf den Report ging hervor, dass die Abschiebung in der Regel eine Woche vor dem Termin angekündigt werden soll - auch den in Haft sitzenden Betroffenen. Bayern vertritt jedoch die Auffassung, dass den Menschen in Abschiebehaft nicht das genaue Datum genannt werden müsse. Da sie sich in Abschiebehaft befänden, seien sie dadurch über ihre anstehende Ausweisung bereits informiert, hieß es in der Antwort.

Das Anti-Folter-Komitee bemängelte zudem die Einrichtung des besuchten Abschiebegefängnisses in Eichstätt. Das Wachpersonal dort sei nicht speziell geschult, außerdem würden die dort untergebrachten Männer mehr wie Strafgefangene behandelt. So dürften sie beispielsweise nicht ihre eigene Kleidung tragen und hätten nur eingeschränkten Zugang zu Mehrzweckräumen. Außerdem könnten die Insassen nicht direkt einen Arzt sprechen, sondern müssten einen Termin erst bei einem der Aufpasser anmelden, bemängelte der Bericht. In seiner Antwort erklärte das Ministerium, dass die Männer meist nicht genügend eigene Kleidung besäßen, um diese regelmäßig zu wechseln - deshalb werde auf Kleidung der Haftanstalt zurückgegriffen. Die in Eichstätt eingerichtete Freizeithalle könne zudem erst länger geöffnet werden, wenn es für die zusätzliche Zeit Sicherheitspersonal gebe.

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SZ vom 10.05.2019 / dpa
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