Süddeutsche Zeitung

Bayreuth:Dieser Mann holte einen 43-Jährigen aus der Verwahrlosung

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Im Kreis Bayreuth hat die Polizei einen Mann nach dreißig Jahren aus dem Haus seiner Eltern geholt. Sie ging einem Hinweis von Matthias Stöcker nach - der lange zögerte, was er tun sollte.

Wer bleibt schon freiwillig jahrzehntelang immer im Innern eines Hauses? Das war die Frage, die Matthias Stöcker nicht mehr losließ. Eigentlich war er nur zum Spaß in dem kleinen Ort in der Fränkischen Schweiz, zum Klettern. Ein 300-Einwohner-Dorf, sehr schöne Felswände, nette Leute. Sie luden ihn zum Kaffeetrinken ein oder zum Essen, und dann kam es immer wieder vor, dass sie hinter vorgehaltener Hand über merkwürdige Dinge redeten.

Von einem Mann erzählten sie, der das Haus seiner Eltern praktisch nie verlässt. Der seit Jahren nie rauskam, ganz isoliert sei. Ob er dort eingesperrt sei? Ob er überhaupt noch lebe? Es war ein Raunen, das durch den Ort ging, genau wusste es niemand. Matthias Stöcker konnte bei seinen Kletterbesuchen nicht mehr aufhören, darüber nachzudenken. War der Mann wirklich dort? Und wenn ja, war er es freiwillig?

Irgendwann ging Matthias Stöcker zur Polizei. Und da war tatsächlich ein Mann in dem Haus, 43 Jahre alt mittlerweile. Die Polizei holte ihn heraus, gegen die Eltern wird nun ermittelt. Der 43-Jährige wurde in einem Krankenhaus untergebracht. Er habe verwahrlost gewirkt, sagte die Polizei.

Etwa dreißig Jahre lang soll der Mann sein Elternhaus nicht verlassen haben, damals war er noch gar kein Mann. Dreißig Jahre sind eine lange Zeit, vor dreißig Jahren gab es kein World Wide Web und Deutschland war noch in zwei Teile geteilt. Ihm fehlen dreißig Jahre Freiheit, sagt Matthias Stöcker nun über den 43-Jährigen. Im Interview erzählt Stöcker von seinen Gedanken, bevor er zur Polizei ging. Davon, wie er am Haus klingelte. Wieso vor ihm niemand etwas tat. Und wie es ihm im Dorf geht, nun, da er dessen Geheimnis gelüftet hat.

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