Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Angeklagt wegen Whatsapp-Chats

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Ein Faschingsfunktionär steht wegen menschenverachtender Botschaften in Würzburg vor Gericht - da gibt es ein wahres Narrenstück zu bestaunen. Ein Prozess ist manchmal etwas für Theaterliebhaber.

Kolumne von Olaf Przybilla

Menschen, die ein Faible fürs Theater haben, kann man den Besuch von Gerichtsprozessen empfehlen. Gerade am Amtsgericht bekommt man das Leben in seiner ganzen Tiefe mitunter eindrucksvoller geboten, als das jede Bühne könnte. Eines aber wird man im Gericht nicht erwarten dürfen: Humor. Schon gar nicht Erörterungen zur Frage, welchen Humor jemand hat. Das gehört da einfach nicht hin.

Schon insofern fiel ein Prozess in Würzburg ziemlich aus dem Rahmen. Da musste sich ein früherer Faschingsfunktionär der "Giemaul-Gilde" vor Gericht verantworten, weil er in eine Whatsappgruppe namens "Elferunsinn" menschenverachtende Sprüche über Asylbewerber gepostet hatte, die so widerwärtig waren, dass man am liebsten noch im Gerichtssaal einem Brechreiz nachgegeben hätte. Der ehemalige Faschingsvorstand hatte das so zu erklären versucht: In diese Gruppe von Elferräten seien ständig Geschmacklosigkeiten hineinkopiert worden, mal "sexistischen" Inhalts, mal Sachen, die einfach nur "eklig" gewesen seien. Und ja doch: Dann halt auch mal Menschenverachtendes. Wenn's doch so lustig ist.

Nie wieder wird man den Staatsanwalt Thorsten Seebach vergessen, der den Narr wegen Volksverhetzung angeklagt hatte und dessen Augen immer größer wurden angesichts dieser hilflosen Erklärungsversuche. Bis Seebach dem Angeklagten diese eine - für ein Gericht wie gesagt höchst ungewöhnliche - Frage hinrieb: "Ist das Elferratsniveau?"

Noch einmal wär's einem an jenem Tag im Mai fast hochgekommen im Gericht. Das war der Moment, als die Frau aus der Gilde, die die Widerlichkeiten aufgedeckt und deren strafrechtliche Verfolgung ermöglicht hatte, berichtete, wie sie seither behandelt wurde von den Herren Faschingsnarren. Ehe sie rausgeschmissen werden konnte aus dem Verein, verließ sie denselben. Hochfrustriert.

Weil aber offenbar selbst das segensreichste Wirken gewisser Narren nicht resistent ist gegen das plötzliche Eintreten von Geistesblitzen, hat die Gilde jetzt - ein Jahr nach Beginn der Affäre - ihren Mitgliedern und der Main Post gesteckt, man erkenne an, dass sich die ehemalige Faschingskollegin "um Aufklärung der diskriminierenden Vorgänge" bemüht habe. Aber hallo! Tusch, Helau - und ab.

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SZ vom 16.08.2019
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