Süddeutsche Zeitung

AfD-Fraktion:Die Spaltung wird offen zur Schau gestellt

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Die gemäßigteren Kräfte kapitulieren, der völkische "Flügel" siegt. Die Strömung wird künftig den schrillen Ton ungenierter denn je setzen.

Kommentar von Johann Osel

Vom anstehenden "Showdown" war im ersten Jahr der AfD-Landtagsfraktion derart oft die Rede, dass der Begriff schon für Witzeleien taugte. Für das, was sich jetzt aber am Freitag zugetragen hat, passt er ausgezeichnet: Die Führungsclique rund um den völkischen "Flügel" hat das einstige Patt zwischen ultrarechten und gemäßigten Kräften aufgelöst und Kritiker in ihr Lager gezogen - schier machiavellistisch, offenbar auch mithilfe der Fleischtöpfe der Macht. Angeblich können sich nun "Arbeitskreisleiter" über Zulagen freuen, die diesen Arbeitskreis mit sich selbst abhalten. Danach hat der Flügel in einer Blitzaktion die Neuwahl des Fraktionsvorstands angesetzt, so dass Kritiker terminlich nicht erscheinen konnten oder es nicht wollten angesichts der Ränkespiele. Die zu 60 Prozent anwesende Fraktion wählte mit 100 Prozent Katrin Ebner-Steiner und das vom Flügel vorsortierte Personaltableau.

Diese Wahl gleicht einer Farce, doch es ist auch irgendwie erstaunlich, wie leicht sich mit Perfidie, Berechnung und Taschenspielertricks in der Politik Mehrheiten gestalten lassen. Es ist durch den offenen Bruch nun endgültig klar, dass hier zwei Fraktionen in einer stecken - und dass der Flügel fortan den schrillen Ton ungenierter denn je setzen wird und wohl bei den Kritikern intern abermals die Zügel anzieht. Die für AfD-Verhältnisse moderaten Vertreter sind in der ganzen Partei über die Jahre weniger geworden, viele haben frustriert das Feld geräumt. Diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer blieben, ob aus Naivität oder Karrieredenken, wurden am Freitag in aller Öffentlichkeit brüskiert und plattgewalzt.

Will man Migration ordnen oder will man eine Politik, deren Basis Nationalismus und oft auch Rassismus ist? Will man als rechte Opposition innerhalb des Systems Lücken besetzen, wie sie die Union heute de facto lässt, oder herrscht Fundamentalopposition mit Dauerprovokation, Remmidemmi und Krawall? Will man konservative Werte in der Realität einer bunten Gesellschaft behaupten oder will man die bunte Gesellschaft abschaffen, zurückdrehen in die Fünfzigerjahre oder gar ein Stück weiter? Steht man nur deutlich rechts der CSU oder im Vorgarten der NPD? In der AfD-Fraktion wurde der jeweils zweite Teil dieser Richtungsfragen mit 100 Prozent als Kurs zementiert.

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Quelle:
SZ vom 30.09.2019
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