Süddeutsche Zeitung

Donau-Auwälder:"Wir geben sie der Natur zurück"

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Von Christian Sebald

Knorrige Eschen, Ulmen und Eichen, dazwischen mächtige Schwarzpappeln mit bizarren, krumm gewachsenen Stämmen sowie Bachläufe und Wassergräben, die im Frühjahr über die Ufer treten und weite Flächen überschwemmen: Die Auwälder bei Neuburg an der Donau sind ein Naturjuwel erster Klasse. Und zwar nicht nur, weil sie so ursprünglich sind. Sondern auch, weil sie mit 5000 Hektar Fläche das größte zusammenhängende Auwaldgebiet Deutschlands, wenn nicht sogar Mitteleuropas sind. Jetzt hat die Staatsregierung 960 Hektar Auwald dort unter Naturschutz gestellt. "In ihnen wird es künftig keine forstwirtschaftliche Nutzung mehr geben", sagt Forstministerin Michaela Kaniber (CSU). "Wir geben sie der Natur zurück."

Das neue Auwald-Schutzgebiet liegt im Westen der Stadt Neuburg in Richtung Lech-Mündung. Es ist der erste Schritt für das weitläufige, bayernweite Netzwerk aus Naturwäldern, das die Staatsregierung bis 2023 einrichten will. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat es nach dem erfolgreichen "Volksbegehren Artenvielfalt - Rettet die Bienen" zugesagt. Dieses Netzwerk soll zehn Prozent der Staatswälder umfassen. Zugleich sind die 960 Hektar Naturwald an der Donau das größte neue Naturschutzgebiet seit vielen Jahren in Bayern. Bis vor Kurzem hatte sich die CSU strikt gegen neue Schutzgebiete gewehrt - wie der erbitterte Kampf des Innenstaatssekretärs Gerhard Eck und anderer prominenter Christsozialer gegen einen dritten Nationalpark gezeigt hat. Die Freien Wähler stehen dem Naturschutz nicht minder skeptisch gegenüber.

Von den Umweltverbänden kommt deshalb viel Lob für Agrarministerin Kaniber. "Das ist eine Kehrtwende in die richtige Richtung", sagt der Vorsitzende des Bundes Naturschutz (BN), Richard Mergner. "Naturwälder wie jetzt an der Neuburger Donau sind zentral für den Klimaschutz und den Erhalt der Artenvielfalt." Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) ist ebenfalls sehr angetan. "Der neue Naturwald ist einer der artenreichsten Wälder Bayerns", sagt er. "Ein Experte hat dort an einem Tag alle Spechtarten beobachten können, die in Deutschland heimisch sind. So eine Vielfalt trifft man sehr selten an." Schäffer fordert, dass der Freistaat die Auwälder möglichst schnell renaturiert - indem er beispielsweise Flächen periodisch unter Wasser setzt oder Seitenarme der Donau durch sie leitet.

Denn es ist ja so: Dass die Neuburger Auwälder so ursprünglich sind, kommt nicht von ungefähr. Es ist dem Jahrzehnte langen Engagement lokaler Naturschützer und Politiker zu verdanken. Allen voran dem von Siegfried Geißler, dem Chef der Naturschutzbehörde am Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen. Der Landschaftspfleger hat vor mehr als 20 Jahren mit dem damaligen Neuburger Landrat Richard Keßler (CSU) allerlei Konzepte für den Erhalt der Auwälder ausgetüftelt. Im Osten von Neuburg ließen sie beispielsweise einen acht Kilometer langen Donau-Seitenarm durch den Auwald graben. Er ist ein Segen für Äschen, Huchen, Forellen und andere Fische. Auch für die Brennen hat sich Geißler eingesetzt. Das sind uralte Kiesbänke mit einer dünnen Humusschicht, die sich im Sommer aufheizen. Auf ihnen gedeiht eine Vielfalt an Orchideen und Enzianen wie sonst nur im Gebirge.

Die Vielfalt der Auwälder ist auch an den Tieren wie dem Halsbandschnäpper,...

...dem Biber...

...und dem Springfrosch zu erkennen.

An anderen Stellen fühlt man sich wie in einem Dschungel. In der Mooser Schütt im neuen Naturwald zum Beispiel. Dort mündet die Friedberger Ach erst in die Kleine Paar und dann in die Donau. Auf dem sumpfig-nassen, von Wassergräben durchzogenen Gelände wuchert ein schier undurchdringliches Gestrüpp aus Weißdorn, Schlehen, Heckenkirschen und anderen Sträuchern, das immer wieder von Eschen, Ulmen und Eichen überspannt wird. Die Auwälder sind ein Paradies für die Tierwelt. Geißler spricht von 250 Vogelarten, die hier heimisch sind, unter ihnen der Halsbandschnäpper ebenso wie der Eisvogel, der Uhu, der Seeadler und andere streng geschützte Arten. Eine weitere Besonderheit sind die Springfrösche und Gelbbauchunken, von denen es bayernweit nirgends so viele geben dürfte wie dort. Das Bayerische Federgras kommt sogar weltweit nur dort vor. Und dann sind da natürlich die unzähligen Biber.

Wenn es nach der Staatsregierung geht, soll denn auch rasch im Neuburger Osten ein Naturwald ausgewiesen werden. Schon am runden Tisch zum Volksbegehren "Artenvielfalt - Rettet die Bienen" haben ihre Vertreter angekündigt, dass 2000 Hektar Donau-Auwald unter Naturschutz gestellt werden sollen. Dazu brauchen Ministerpräsident Söder und Agrarministerin Kaniber aber die Unterstützung des Wittelsbacher Ausgleichsfonds. Denn die Wälder im Neuburger Osten sind zu einem großen Teil im Besitz der Stiftung, aus deren Erträgen sich das frühere bayerische Königshaus finanziert. Offenbar sind die Preisvorstellungen des Wittelsbacher Ausgleichsfonds aber so hoch, dass noch keine Einigung in Sicht ist.

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Quelle:
SZ vom 09.11.2019
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