Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Schutzmaskenball im bayerischen Parlament

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Ausgerechnet in der Woche der Lockerungen müssen im Landtag Mund und Nase bedeckt werden. Die AfD allerdings weigert sich - sehr zum Unmut anderer Abgeordneter.

Von Lisa Schnell, München

Ruth Waldmann nimmt den einen Plastikbügel und hängt ihn sich ans Ohr, dann den anderen. Sie schaut einen von vorne an, die weiß-blaue Maske steht weit von ihrem Gesicht ab. Waldmann dreht sich, deutet auf den großen Spalt zwischen Wange und Maske "Sehen Sie. Kein Schutz", sagt sie etwas dumpf durch den Maskenstoff. Dann nimmt sie das Teil ab und weist auf das kleine Zettelchen an der Innenseite hin: "CSU-Landesleitung", liest die SPD-Abgeordnete vor und freut sich recht unverhohlen: "CSU-Masken passen wohl nur Großkopferten."

Eine Maske dient nicht nur zum Virenschutz, sondern auch zum Senden von politischen Botschaften. So gesehen könnte es in den nächsten Wochen interessant werden im Landtag. Da nämlich gilt von dieser Woche an Maskenpflicht, oder sollte man sagen: ausgerechnet von dieser Woche an. Am Dienstag noch verkündete die Staatsregierung eine Lockerung nach der anderen. Bis um 23 Uhr im Biergarten sitzen, Freunde einladen nach Hause, alles wieder erlaubt. Am Mittwoch dann im Landtag: Maskenpflicht! Warum? Das ist nur eine Frage an diesem ersten Tag im Plenum, der hinter einer Maske bestritten werden muss.

Eine andere wäre: Was passiert mit den Abgeordneten der AfD? Die nämlich marschieren - bis auf wenige Ausnahmen - demonstrativ ohne Maske ein. Sie wählen damit eine Art der politischen Profilierung, die auf weit mehr Unwillen stößt als Waldmanns CSU-Masken-Test. Vielmehr als an die Vernunft und Kollegialität der Abgeordneten zu appellieren, wie es Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) zu Beginn der Sitzung tut, kann die Landtagsverwaltung derzeit kaum tun. Die Maskenpflicht nämlich gilt nur für Mitarbeiter oder Besucher, für Abgeordnete gilt nur ein Gebot. Grund ist das im Grundgesetz erwähnte freie Mandat. Dieses hohe Gut einzuschränken, nur, weil ein Abgeordneter keine Maske trägt, ist juristisch schwer zu begründen, auch, weil die Infektionszahlen gerade sehr niedrig sind. Jeder andere muss, Abgeordnete aber nicht? "Das ist eine Ungleichbehandlung, über die ich nicht glücklich bin und die nur schwer zu vermitteln ist", sagt Ilse Aigner. Genau deshalb aber sei die Selbstverpflichtung der Abgeordneten umso wichtiger.

Ihre Worte scheinen auf die Abgeordneten der AfD kaum Eindruck zu machen. Jeder solle selbst entscheiden, ob er eine Maske trägt oder nicht, so hat es die Fraktion vergangene Woche beschlossen und zwar mit der Begründung, dass es nicht einleuchte, warum für Mitarbeiter ein Verbot gelten solle, für Abgeordnete aber nicht. Ob die Fraktion, die sich seit neuestem als die Retterin des Grundgesetzes darstellt, von dem darin erwähnten freien Mandat nichts wusste, oder es einfach nicht erwähnte, ist nicht geklärt. Ebenso wenig sind sich die anderen Fraktionen vollends einig, wie mit Abgeordneten umgegangen werden soll, die keine Maske tragen. Diskutiert wird ein Zwangsgeld, das auch Abgeordnete zahlen müssten. "Man kann sich von der AfD nicht alles bieten lassen", sagt etwa Matthias Fischbach, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP. Auf der anderen Seite: Ist das juristisch haltbar? Die Provokation der AfD findet auch Ludwig Hartmann "schlicht asozial." Für ein Zwangsgeld aber ist der Fraktionschef der Grünen nicht. Stattdessen schlägt er für die "realitätsfremden AfD-Kollegen" Bildungsgutscheine vor. Ruth Waldmann von der SPD dagegen fragt sich, warum man nicht auch für Abgeordnete eine Pflicht einführen könnte, schließlich wäre das ja nicht das erste Grundrecht, das in der Corona-Krise eingeschränkt werde. Allerdings könnte das bei den niedrigen Infektionszahlen als unverhältnismäßig gelten.

Wobei man bei der Frage wäre, warum der Landtag ausgerechnet in der Woche der großen Erleichterungen einen ebenso großen Maskenball gibt. Hinter all den Masken lässt sich die Mimik nicht mehr allzu leicht lesen. Es ist aber wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass einige Abgeordnete die zwingende Logik hinter diesem Schritt nicht vollends erkennen. Als Begründung hört man dann doch, dass die Maskenpflicht eine Art Übung ist für die Zeit nach der Sommerpause, wenn wieder alle Abgeordneten kommen sollen. Bisher tagt nur ein Fünftel von ihnen. Was dem blüht, der sich der Übung verweigert, wollen die Fraktionen am Mittwochabend besprechen. Solange hat Waldmann einen Rat, den zu befolgen ihr bei der AfD noch nie schwer gefallen sei: "Abstand halten."

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SZ vom 18.06.2020
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