Süddeutsche Zeitung

Landtag:Abgeordnete voll im Bild

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Einige befürchten peinliche Einblicke bei Live-Stream-Übertragungen von Sitzungen

Von Lisa Schnell, München

Den einen ist egal, ob man sie beim Nasenbohren erwischt und sich das jahrelang - wenn man denn will - im Internet noch anschauen kann. Die anderen haben bei dieser Vorstellung eher kein gutes Gefühl. So lässt sich kurz der Konflikt beschreiben, den Opposition und Regierungsfraktionen lösen wollen, wenn der Landtag in zwei Wochen wieder tagt. Es geht um die Ausschüsse und die Frage, wie viel digitale Öffentlichkeit sie vertragen. Wegen der Corona-Krise wurden alle ihre Sitzungen bisher per Live-Stream übertragen, da aufgrund der Abstandsregelungen keine Besucher kommen konnten und für das bayerische Parlament - anders als für den Bundestag - öffentliche Sitzungen per Verfassung vorgeschrieben sind.

Nun aber kehrt der Landtag zu einer Art Normalbetrieb zurück. Nahezu alle Ausschüsse tagen wieder in voller Stärke - und mit Besuchern. Für ihre Sicherheit sorgen auf den Tischen montierte Plexiglasscheiben. Nur bei zwei Ausschüssen, die besonders groß sind, deren Säle aber besonders klein, soll es keine Zuschauer geben, dafür aber einen Live-Stream. Alle anderen können selbst entscheiden, ob sie auch im Internet zu sehen sein wollen. Es ist eine Art Kompromiss, mit dem die Opposition aber noch nicht vollends zufrieden ist. "Es ist wichtig, dass wir keine Rolle rückwärts machen", sagt Matthias Fischbach, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion. Schon vor der Sommerpause hatte er zusammen mit Grünen und SPD gefordert, dass alle Ausschüsse immer online tagen sollen. Zur Begründung sagt er: Überall liefen derzeit Verschwörungstheoretiker herum, da wäre es "fatal", sich gegen mehr Transparenz zu entscheiden. Zudem könnten so auch Bürger an politischen Entscheidungen teilhaben, die ansonsten nicht für einen Sitzungspunkt extra nach München gefahren wären. Eine Live-Übertragung würde laut Landtagsamt pro Sitzung zwischen 650 Euro und 1600 Euro kosten, 2019 gab es etwa 260 Sitzungen.

Fischbach möchte zudem, dass die Videos, anders als derzeit, länger im Internet abrufbar sind. Dass dann praktisch immer einsehbar wäre, wie der ein oder andere nach fünf Stunden Sitzung gähnt oder mit dem Nachbarn quatscht, ist ihm egal - Nasenbohren inbegriffen. CSU und FW dagegen sind da skeptischer. Den Mehrwert darin, "jedes Nasenbohren im Internet für Jahre abrufen zu können", sehe er nicht, sagt Fabian Mehring.

Der parlamentarische Geschäftsführer der FW soll sich dafür eingesetzt haben, dass es zu dem jetzigen Kompromiss kam. Er zeigt sich zuversichtlich, dass diese auch in Post-Corona-Zeiten Zustimmung bekommen könnte. Seinem Kollegen Tobias Reiß von der CSU scheint es damit nicht allzu eilig zu haben. "Es gibt keine Zeitnot", sagt er. Das Wichtigste sei jetzt, den Landtag gut durch die Corona-Krise zu bringen.

Eine Sitzung noch muss das Parlament in abgespeckter Form mit nur einem Fünftel der Abgeordneten bestreiten. Anders als zunächst geplant, kann es erst vom 8. Oktober an wieder in voller Besetzung zusammenkommen. Der Grund: Die Ausschreibung für die Plexiglasscheiben im Plenarsaal hat länger gedauert. Zusätzlich werden Mikrofone an jedem Tisch eingebaut sowie ein elektronisches Abstimmungsprogramm, um unnötiges Herumgehen zu vermeiden. Insgesamt kosten die Umbauten laut Landtagsamt 78 000 Euro. Die Maskenpflicht wurde verlängert.

Und noch eine Neuerung erwartet die Abgeordneten nach der Sommerpause: Die langjährige Betreiberin der Landtagsgaststätte, Eva Mühlegg, muss aufhören. Durch Corona sind zu viele Einnahmen weggefallen. Es gab keine Veranstaltungen der Fraktionen mehr, keine Besuchergruppen. Der Landtag unterstützte die Pächterin schon zuvor, indem er ihr etwa die Einrichtung sowie Strom und Heizung nicht berechnete. Als Ausgleich während der Corona-Krise zahlte das Präsidium seit Mitte März 73 500 Euro, aber es reichte nicht. Mehr als 30 Jahre war Mühlegg Teil des Landtags, länger als mancher Minister. Mit ihr verlässt nicht nur eine Institution das Maximilianeum, sondern auch sehr viel Wissen über die Eigenheiten der einzelnen Abgeordneten.

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Quelle:
SZ vom 10.09.2020
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